Astrid-Lindgren-Schule Edewecht (Hrsg.) DU und ICH - Ein Buchprojekt der Schüler der Astrid-Lindgren-Schule Edewecht

Astrid-Lindgren-Schule. (Hg.)
DU und ICH
Ein Buchprojekt der Schüler
der Astrid-Lindgren-Schule
Edewecht
Geest-Verlag 2012
ISBN 978-3-86685-359-1

ca. 476 S., 12.50 Euro

 

 

200 PERSÖNLICHKEITEN PRÄGEN EIN BUCH

Seit vielen Jahren haben wir uns als Verlag das Ziel gesetzt, Kindern im Rahmen von Schreib- und Buchprojekten die Möglichkeit zu geben, über ihr Fühlen und Denken, über ihre Hoffnungen und Wünsche, über ihre Probleme und Ängste zu schreiben. Kinder und Jugendliche sollen dadurch, dass die Themen ihres Schreibens in ihrem Lebensbereich angesiedelt sind, nicht leistungsorientiertes Ziel von schulischem Unterricht sind, das Schreiben als Reflexion eigener Situation, eigener Emotion erfahren. Schreiben wird so als Element eigener Aus-drucksfindung erlebt, das, gerade dadurch, dass es in Buchform gedruckt und / oder als Text öffentlich vorgetragen wird, somit in ihren Lebensbereich eingebunden ist, auch als Ausgangspunkt von Erfahrung und Veränderung wahrgenommen. Kreative Schreibprozesse in diesem Sinne ermöglichen daher in erheblichem Umfang zum einen die Aneignung des Schreibens (und des Lesens) als kulturelles Grundmuster zwischenmenschlicher Reflexion und persönlicher Auseinandersetzung, tragen zudem wesentlich zum Erwerb von Identität und sozialer Kompetenz bei.
Pädagogisch versuchen wir mit diesen Projekten, die stets in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schule entwickelt und durchgeführt werden, uns einem Prozess von Schulentwicklung zu widersetzen, denn bereits der polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts kritisierte:
„Die ganze moderne Erziehung ist bestrebt, ein bequemes Kind heranzubilden, konsequent, Schritt für Schritt, trachtet sie danach, alles einzuschläfern, zu unterdrücken, zu zerstören, was im Kind Wille, Freiheit, Seelenstärke und Unternehmungsgeist ausmacht.“
(Janusz Korczak: Wie liebt man ein Kind. In Sämtliche Werke. Bd. 4 Gütersloh 1999, S. 19)
Schreiben soll im Sinne kreativer Schreibprozesse vielmehr dazu beitragen, das Kind und den Jugendlichen mit all seinen individuellen Besonderheiten zu verstehen und zum Ausgangspunkt des pädagogischen Handelns zu machen.
Als auf Vermittlung von Reinhard Rakow erste Gespräche mit der Schulleitung und Interessierten stattfanden, gab es auch bei uns durchaus Fragezeichen, ob es möglich wäre, ein Schreib- und Buchprojekt mit mehr als 200 Schülern und Schülerinnen eines Förder¬zentrums durchzuführen. Wäre es organisatorisch überhaupt zu leisten? Würden die Schüler und Schülerinnen überhaupt mitwirken wollen? Heute muss ich mich dieser Skepsis durchaus schämen, ist sie doch Element einer vorherrschenden gesellschaftlichen Einstellung, dass Schüler eines Förderzentrums kaum in der Lage sein würden, ihre Gedanken und Gefühle in Wort oder auch Bild auszudrücken. Welch ein Irrtum!
Selten hat ein Schreibprojekt eine solch intensive Mit- und Zusammenarbeit gebracht. Gerne weise ich hier auf einige der älteren Schülerinnen der Schreibwerkstatt des Gymnasiums Antonianum aus Vechta hin, die den Schreibtag an der Astrid-Lindgren-Schule  begleiteten. Sie waren völlig überrascht von der besonderen Atmosphäre, die an dieser Schule herrschte. „Ob Lehrer oder Schüler, alle gingen freundlich miteinander um, man grüßte auch uns Fremde höflich, band uns sofort mit in die Arbeit und das Erleben ein.“
Ich selber kann dies nur unterstreichen: eine Offenheit gegenüber dem Projektansatz, intensives Mitwirken und offene Gespräche über die Zielsetzung und die Durchführung des Projekts, intensive Begleitung des Schreibens auch durch intensive künstlerische Projekte bei allen beteiligten Pädagogen. Und es war beinahe unglaublich, auch am Schreibtag zu erleben, mit welcher Begeisterung und Intensität alle Schüler mitwirkten.
Und die Texte. Die ganze Individualität des Fühlens und Denkens jedes Schreibers, jeder Schreiberin findet sich in diesen Texten wieder. Auch bei den Kindern, die nur über geringe Schreibfähigkeiten verfügen, finden sich Texte, die sie ihren Begleitern diktierten, um auch sich in diesem Buch mitzuteilen.
Stärker als bei anderen Projekten prägt sich in den Texten die Individualität des jeweiligen Autors aus. Hier gibt es wirklich 200 junge Menschen mit ihrem ganz eigenen Fühlen und Denken. Und sie machen uns mit ihren Texten darauf aufmerksam, welch eigenständige Persönlichkeiten sie sind. So wird dieses Buch zu einer Plattform ihrer Wünsche, Sorgen, Ängste und Hoffnungen.
Es liegt nun an uns Erwachsenen, an denen, die in Erziehung, Politik, Verwaltung, Wirtschaft etc. Verantwortung tragen, diese Per-sönlichkeiten wahrzunehmen und zu versuchen, sie zu verstehen.
Gerade mit dem Beginn der inklusiven Schule scheint dies von besonderer Wichtigkeit, denn das Erfassen und die Akzeptanz ihrer jeweilig individuellen Stärken und auch Schwächen, ihrer Hoffnungen und Ängste muss Basis für das Gelingen dieses Schulmodells sein. Und diese Schüler und Schülerinnen der Astrid-Lindgren-Schule können mit ihrer ausgeprägten Individualität eine große Bereicherung für die Gesellschaft sein.