Projekt. Eine Serviette kann hilfreich sein ...

Eine Serviette kann hilfreich sein...
Ein etwas anderes Projekt zur „Reinigung“ von Vorurteilen an der
Erich Kästner-Gesamtschule in Essen.



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Cary S. Leibowitz, „Serviette“, Multiple, 1993

Projekt der Erich Kästner-Gesamtschule in Essen

 

Als Schule den programmatischen Auftrag zu erfüllen, eine "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" zu sein; verpflichtet nicht nur zum Rückblick auf Projekte, die Themen wie "Demokratiekompetenz", "Toleranz-:­ Bildung" und "Rassismus" offen und klar reflektieren und begründet in das Schulleben und Schülerinnen- und Schülerleben integrieren. Vielmehr verpflichtet eine solche Auszeichnung auch zum Ausblick auf die immer wieder einzulösende Berechtigung, einen solchen Titel führen zu dürfen. Eine solch programmatisch integrierte politische Bildungsarbeit bringt immer mit zum Ausdruck, dass Themen wie "Rassismus", "Zivilcourage" und "Fremdenfeindlichkeit als Fakten des soziokulturellen Umfeldes einer Schule nach innen wie nach außen anzuerkennen sind.

Eine einfache Serviette nun zum Anlass zu nehmen, sich bewusst danach zu fragen, was Menschen allesamt sich vor Augen führen müssen; um tatsächlich aufgeklärt sich und anderen ihre Position innerhalb einer Gesellschaft zuzuerkennen, mag auf den ersten Blick verwundern; zumal die "Serviette" nichts anderes sein will als das, was sie ist: Eine einfache, maschinell vervielfältigte Serviette. Verfolgt man den spiralförmlg und scheinbar hand­schriftlich aufgebrachten Satz, der sich bis zum Begriff des Rassismus nach innen windet, so ist man längst Teil der durch Cary S. Leibowitz entwickelten Idee der Selbstspiegelung und der vorbehaltlosen Selbstbefragung. Obgleich der Satz weniger als sprachliche Abfolge denn als Grafik erscheint (in Orientierung an Joseph Beuys, wonach jedes Schreiben Zeichnen sei), identifiziert sich der Leser formal wie inhaltlich mit dem angesprochenen Ich" und verfolgt somit den oftmals nicht bewusst wahrgenommenen Ursprung eigener Rassismen und Intoleranzen. Diese erwischen ihn genau da, wo er sie nicht vermutet hätte: Das eigene Ich und noch viel mehr der eigene Mund stehen im Zentrum dieser Arbeit; ein Mund1 der sich mehr als einmal beschmutzt hat,  der mehr als einmal nicht achtsam war und den mehr als einmal latente oder offene rassistische Äußerungen verlassen haben. Leibowitz gibt uns eine Serviette, um sie uns sofort wieder zu nehmen, denn mit der peinlichen Selbstoffenbarung, oft genug eben nicht tolerant zu sprechen, lässt er uns im entscheidenden Moment der Selbsterkenntnis alleine; lässt uns gewissermaßen beschmutzt. Der in New York lebende Künstler verlebendigt - frei von jeder moralischen Anhöhe - den Anspruch, zu allererst sich selbst in das Zentrum der Perspektive zu stellen, von der aus man von Werten wie "Toleranz", "Akzeptanz" und "Humanität" sprechen kann und sollte. Gleich zweimal stolpert man in dieses sich so beiläufig gebende Multiple; erst stolpert man über die Frage nach dem eigenen Gewicht, dann stolpert man über die Frage nach dem eigenen Rassismus. Das, was die "Serviette" einfordert, zweierlei im Auge behalten zu wollen, erfüllt sich im durch die Spirale provozierten Entschlüsseln der Arbeit.

Genau diesen Ansatz einer selbstkritischen Spiegelung soll ein Projekt, das die "Serviette' zum Anlass für Reflexionen und Aktivitäten hinsichtlich politischer Bildungsarbeit nimmt, einbringen: Die notwendige Frage nach jedem von uns, der wir als Schüler wie als Lehrer anerkennen müssen (und zwar für den "Rest [unseres] Lebens"), dass wir nicht selten den eigenen "Rassismus" nicht mehr im Auge behalten haben. Es handelt sich also um eine Serviette, die weniger den Mund reinigt als die Augen öffnet.

 

Peter Gutsche

 

Weitere Infos unter

www.weiße-rose-stiftung.de

www.geest-verlag.de

www.gesichtzeigen.de

 

 

 

Ein ersten Bericht über das neue Buchprojekt  der Erich-Kästner-Gesamtschule mit dem verantwortlichen Leiter Peter Gutsche gibt es im Steeler Kurier zu lesen. Ein Projekt, dass an unzähligen Schulen statfinden sollte. Schon jetzt freuen wir uns auch im Verlag auf das Buch.

Hier der Zeitungsbericht von Julia Wenzel  (übrigens selber einmal Teilnehmerin eines Buchprojektes in Essen)

 

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