André Rettka - Diese sinnlose Gewalt kenne ich zur Genüge (Jugendliche melden sich zu Wort)

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Mein Name ist Jaques. Ich bin ein Schwarzafrikaner, der im Tschad geboren wurde und aufgewachsen ist. Vor fünf Jahren bin ich mit meiner Familie nach Essen gekommen. Ich war damals vierzehn Jahre alt. Ethnische Säuberungen, Hunger und Elend haben uns aus unserer Heimat vertrieben. Wir hofften, in diesem zivilisierten Land ein ruhiges Leben führen zu können, ohne Hass und ohne Gewalt. Durch fleißiges Arbeiten wollten wir uns den Lebensunterhalt verdienen. Doch schnell wurde uns klar, dass unsere Träume nichts als Illusionen waren. Wir spürten sofort, dass wir in dieser Stadt nicht unbedingt willkommen sind.

Meine Muttersprache ist französisch, also hatte ich am Anfang große Probleme mit der deutschen Sprache. Nach einem intensiven Sprachkurs kam ich auf eine Hauptschule. Obwohl die Ausländerquote dort sehr hoch war, fiel ich durch meine Hautfarbe auf. Ich musste täglich mit wüsten Beschimpfungen wie "Nigger", "Teerpappe" usw. leben. Auch die Ausländer, die aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen toleranter hätten sein müssen, hielten sich nicht zurück. Mein größter Traum, eine Lehrstelle als KFZ-Mechatroniker zu bekommen, hat sich bis heute nicht erfüllt. Die Hoffnung, überhaupt eine Ausbildung abschließen zu können, schwindet langsam aber sicher.

Weil wohl viele Schwarze in den Medien (Filme, Fernsehserien, usw.) ihr Geld im Drogenmilieu verdienen, werde auch ich oft des Dealens verdächtigt, obwohl ich noch nie etwas mit Drogen am Hut hatte. Mein schlimmstes Erlebnis war eine Begegnung mit Skinheads. Als ich eines Abends auf dem Weg nach Hause war, wurde ich plötzlich von einem Haufen Skins umzingelt. Ohne Vorwarnung schlugen und traten sie auf mich ein. Gott sei Dank hat eine ältere Frau den Vorgang beobachtet und Hilfe geholt. Damit hat sie sicherlich mein Leben gerettet. Ich wurde schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht und musste dort zwei Wochen lang behandelt werden. Seitdem traue ich mich kaum noch aus dem Haus, wenn doch, dann nur in Begleitung. Ich weiß genau, dass sich dieser Hass jederzeit wieder gegen mich richten kann. Das macht mich wütend und traurig zugleich. Diese sinnlose Gewalt kenne ich aus meiner Heimat zur Genüge.

Ich habe mich hier nicht wirklich eingwöhnt, und es geht mir nur materiell gesehen gut. Ich würde gerne woanders sein, aber ich weiß nicht wohin. Zurück in den Tschad ist ausgeschlossen, und ein Umzug innerhalb Deutschlands wäre auch keine Lösung.

André Rettka (18 Jahre)

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