Elmast Kaya - Prinz Aziz (Kinder und Jugendliche melden sich zu Wort am 12. Februar 2011)

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Prinz Aziz

Es war einmal ein König namens Jamshid. Dieser König war ein mächtiger, mutiger und zugleich sehr herzlicher Mann. Sein Volk war stolz auf ihn, denn er tat alles dafür, damit es nicht zu leiden hatte. König Jamshid hatte auch zwei Söhne. sie waren Zwillinge, und auch wenn sich zum Verwechseln ähnlich sahen, so waren sie doch sehr unterschied-lich. Der König glaubte einen starken Rücken durch seine Söhne zu haben und somit zwei starke Nachfolger, doch dies änderte sich mit der Zeit.
Die Prinzen Aziz und Armin waren so unterschied-lich, wie es nur ging. Prinz Armin war mutig und stark. Er war das Spiegelbild seines Vaters. Prinz Aziz dagegen war eher zurückhaltend und faul und zu sehr verwöhnt. Außerdem sprach er seit seinem fünften Lebensjahr kein Wort mehr. Alles, was man wusste, war, dass er sich auf die Zunge gebissen hatte und seither nicht mehr sprach. Den Grund dafür wusste auch keiner. Man verwöhnte ihn da-her, so sehr es nur ging. Auf ihn setzte König Jamshid keine Hoffnung, dass er bald über das Kö-nigreich herrschen würde. Auf Prinz Armin hingegen setzte er große Hoffnungen. doch zwei Jahre später hatte König Jamshid nur noch einen Kronprinzen. Prinz Armin hatte sich in die Tochter eines Bauern verliebt, und da es unmöglich war für einen Prinzen, eine Bauerntochter zu heiraten, entführte er sie, und sie flohen. Seither hatte man den Prinzen nicht mehr gesehen und nichts mehr von ihm ge-hört.
Es blieb dem König nicht viel Zeit, er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, dann würde er fortgehen von der Welt, und deshalb musste schon ein Nachfolger bereitstehen. Die Zukunft des Volkes lag in Prinz Azizs Händen, doch dieser wäre alles andere als ein tapferer und mutiger König gewor-den. Faul und sprachlos, so stellt man sich keinen König vor, der über alle herrschen soll. Der König war verzweifelt. er musste etwas unternehmen. Er selbst konnte den Prinzen nicht ändern, und so schickte er eine Nachricht aus. man solle sich mel-den, wenn man einen Wundermittel habe. Derjeni-ge, der den Prinzen heilen könne, könne sich auf viele Geschenke freuen. Viele Menschen meldeten sich. Alle versuchten den Prinzen durch Kräuter und Gebete heilen, doch keiner von ihnen konnte Wun-der vollbringen.
Das Dienstmädchen Asya hatte auch von der Nach-richt des Königs gehört. Sie wusste, der König war in Not, ihm blieb nicht viel Zeit, und er machte sich Sorgen. Asya glaubte, dem Prinzen helfen zu kön-nen. Sie glaubte, der Prinz sei nur überbehütet und verwöhnt, und so würde aus ihm niemals ein star-ker König werden. Sie fasste ihren Mut zusammen und trat vor dem König. Sie sagte, sie habe die Lo-sung, doch sie brauche einen Monat Zeit, und der Prinz müsse den ganzen Monat lang in einer Hütte wohnen. Asya glaubte, er würde dann nicht mehr faul sein. Er würde dann wissen, wie schwer es ist, jeden Tag ums Überleben zu kämpfen. Asya lebte seit dem Tod ihres Vaters in einer kleinen Hütte weit in den Bergen. Dort sollte der Prinz einen gan-zen Monat wohnen, und in einem Monat sollte sie dort aus dem faulen jungen Mann einen echten Prinzen machen.
Angekommen, lag der Prinz wie gewohnt bequem in der Ecke und wartete darauf, bedient zu werden. Es war Zeit für das Essen, doch Asya erledigte lieber den Haushalt, als dem Prinzen etwas zu essen zu geben. Sie wusste, er konnte sich eh nicht be-schweren, weil er nicht sprach. Erst spät am Abend legte sie etwas Käse und ein Stück Brot auf den Tisch. Prinz Aziz verstand nicht, er war es nicht ge-wohnt, so wenig zu essen zu bekommen, und au-ßerdem musste man ihm sowieso beim Essen helfen.
Prinz Aziz hatte Hunger bekommen, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Asya sah es nicht ein, ihn zu füttern. Er war doch kein kleines Kind mehr. Bis zum nächsten Morgen lag das Essen auf dem Tisch, und Prinz Aziz bewegte sich nicht. Asya blieb hart-näckig. Ihm fehlt nichts, er schafft das schon, dach-te sie sich. Fünf Tage lang legte sie dem Prinzen Käse und Brot vor und jeden Tag etwas weiter, bis dieser es nicht mehr aushielt und anfing, sich zu bewegen, um zu essen. Der Prinz wusste, würde er nicht bald etwas essen, dann würde er verhungern. Asya beobachtete ihn die ganzen Tage von draußen durch ein kleines Fenster. Irgendwann lag plötzlich kein Essen mehr auf dem Tisch.
Prinz Aziz wusste nun, dass es nichts brachte zu warten, bis jemand ihm das Essen brachte. Und so machte er sich auf den Weg in den Wald, um etwas Essbares zu finden. Asya war froh! Sie hatte es ge-schafft, dass der faule Prinz sich endlich bewegte und nicht nur dalag.
Doch ein Problem war noch da, und die Zeit drängte. Prinz Aziz sprach nicht. Asya war verzweifelt. Seine Faulheit hatte sie bekämpft, doch wie brachte sie ihn dazu, wieder zu sprechen? Asya saß dem Prinzen ratlos und verzweifelt gegenüber und überlegte, wie sie ihn zu sprechen bringen könnte. Prinz Aziz lächelte nur, er fand es witzig, wie Asya ihm ratlos gegenüber saß. Das Lächeln brachte Asya nur noch mehr durcheinander, sie hatte ihn noch nie vorher lächeln sehen. Sie fragte ihn, was es denn zu lächeln gäbe, doch wie erwartet, sagte der Prinz kein Wort.
Der große Tag war gekommen, ein Monat war ver-gangen, und die beiden mussten zurück zum Schloss. Asya und der Prinz Aziz standen dem König gegenüber, und dieser war erstaunt, dass der Prinz den ganzen Weg bis zum Schloss gelaufen war, Er hätte ihn viel lieber mit der Kutsche zu-rückholen wollen. Der König fragte Asya, ob sich den nun etwas bei dem Prinzen verändert habe. Sie antwortet mit zittriger Stimme, dass er nicht mehr so faul sei wie vorher. Dass der Prinz noch nicht sprach, traute sie sich nicht zu sagen. Am liebsten wäre sie im Erdboden versinken, so sehr schämte sie sich. Sie war enttäuscht, dass sie dem König nicht ganz helfen konnte.
In diesem Moment schaute der Prinz sie an und lächelt wieder. Sein Lächeln regte Asya auf, sie war wütend. Warum lachte er schon wieder? Was für einen Grund hatte er zu lachen?
Während der König darauf wartete, dass Asya über Erfolge sprach, sprach stattdessen der Prinz. Alle waren erstaunt, keiner konnte seinen Ohren glauben. Diesmal war Asya sprachlos und wusste nicht, was sie denken sollte. Der Prinz sprach: „Ja, Vater, ich spreche wieder“. Auf die Frage von Asya, wa-rum er denn bis dahin so tat, als habe er das Spre-chen verlernt, antwortete er, dass er ja nie zu spre-chen brauchte. Man habe ihm immer jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Er brauchte nur zu klat-schen, und man wusste schon, was er verlangte. Mit seinem Vater habe er nie gesprochen, da dieser mehr mit seinem Volk zu tun hatte als mit seinen Söhnen. Und dies sei auch der Grund, warum Prinz Armin geflohen sei. Mit seinem Bruder habe Prinz Aziz nie gesprochen, weil dieser sich als der Bessere sah und weder mit dem Prinz Aziz gesehen, noch verglichen werden wollte.
Prinz Aziz sprach erst jetzt, weil er sich in Asya verliebt hatte und sie nicht enttäuschen wollte. Die Zukunft des Volkes war gerettet, König Jamshid war froh, dass er nun doch einen starken Thronfolger hatte. Und Prinz Aziz und Asya heirateten, und so lebten sie glücklich bis an ihr Ende.

Elmast Kaya ( 20 Jahre )

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