Luisa Krieger (Visbek, 18 J.) Alles mit Artikel (Fünftplazierte 3. Vechtaer Jugendliteratur-Wettbewerb)

Hördatei: 

Luisa Krieger (Visbek, 18 J.)
Alles mit Artikel

Ich blicke dem Feuerwerk hinterher,
die Körner so schwer,
wie chaotisch bunt sie den Himmel bemalen,
als wären sie ein Stift in meiner Hand,
der versucht,
meine Gedanken zu verfassen,
nicht einen zu verpassen,
nichts zu verfehlen,
die Bedeutung zu stehlen.
Meine Gedanken schweifen ab,
verfehlen nur ganz knapp
den Mars,
Glühwürmchen in einem Glas.
Der Stoppelfeldhorizont reicht
schon lange nicht mehr für mich,
und wenn mein Blick über die Wälder
und Felder streift,
ertappe ich mich dabei,
wie mein Kopf sich aus dem Fenster schleicht
und am Feuerwerk vorbei nach den Sternen greift.
Ich weiß nicht, warum das Ortsschild nach Grenze schreit,
die ich so gerne überschreit‘,
aber ich schaffe es nie weit
genug weg.
Ich kann nicht mehr
eingezäunt bleiben,
weiter nur schreiben
und zeichnen,
ohne dass es jemand sieht.
Ich will nicht mehr
hier bleiben,
mit den gleichen Menschen streiten,
obwohl ich sie liebe,
ich kriege hier
einfach zu viel.
Bücher scheinen der einzige Ausweg,
der über den Zaun hinausgeht,
doch scheinen sie jeden Sinn zu rauben,
bringen mich zum Glauben,
und lassen das Leben mich enttäuschen,
denn sie erlauben
zu träumen.
Wie gerne würde ich noch an den Osterhasen glauben,
den Nikolaus gegen die Klausurenphase tauschen.
Wie gerne würde ich nachts schwimmen
und tagsüber schlafen
und gegen die AfD stimmen,
und die Umwelt retten,
am besten mit Cassetten
und meinen Lieblingsliedern,
weil Musik die Ohren zumacht,
aber die Augen auf.
Sie kann schreien
und weinen
und verneinen
und verweigern
und kreischen
und lachen,
tanzen, Menschen und Worte,
verbindet Orte
und Erinnerungen,
flüstern,
kuscheln,
nuscheln.
Und ich würde gerne alles.
Ich würde gerne alles und ein bisschen mehr,
ich würde gerne alles und ein bisschen Meer,
weil ich das brauche,
weil ich keine Zigaretten rauche
und um meine Freiheit laufe
mit Schlittschuhen auf Teer.
Ich rede mit dem Mond,
mein Schweigen ist bunt.
Meine Gedanken schweifen ab,
ich mit,
wir verfehlen nur ganz knapp
die Milchstraße,
Wissensabgase.
Meine Angst schmeckt nicht zum Frühstück,
deshalb esse ich zu viel Süßes und trinke zu wenig,
stetig.
Ich weiß nicht,
wovor ich Angst habe,
aber ich weiß, dass ich sie trage,
und sie mir nicht steht
und niemand sie versteht.
Ich esse zu viel, generell,
und denke noch viel mehr,
und weiß nicht einmal, wen ich mit wir meine.
Ich meine, ich weiß nicht, ob du richtig bist,
dass meine Angst eigentlich von deiner Richtigkeit ausgelöst ist,
ich weiß nicht, wie man das weiß.
Ich weiß nicht.
Ich weiß nicht,
das ist es, was meinen Kopf zerbricht.
Ich esse zu viel, denke zu viel,
und weglaufen funktioniert nicht,
weil zum ersten Mal ist nicht mein Gehirn,
sondern mein Herz wichtig,
und das weiß nicht, wo es richtig
und zu richtig erkennt
und vielleicht verpennt
es den Moment,
und ich verletze mich selbst.
Woher soll ich denn all das wissen,
ich kann nicht mal küssen,
und ich weiß nicht, ob ich you you you and me me me together will,
weil alles ist still
und schrill
und bunt
und grau
und sternhagelvoll.
Ich mache mir Sorgen
über das zukünftige Morgen,
das es vielleicht gar nicht gibt,
weil vielleicht.
Weil vielleicht steht im Weg.
Schräg oder,
dabei wäre der Weg so gerade,
wenn ich mich nicht immer in meinen Gedanken verlaufen wür-de,
ich nicht so viel reden
und mehr machen würde.
Was ich damit meine,
weiß ich nicht,
dich,
mich und das alles.
Ich schweife ab,
diesmal ganz alleine,
verfehle nur ganz knapp
das Sonnensystem
und bleibe stehen.
Irgendwie denke ich zu groß
und handle zu klein,
so muss es sein,
damit ich lachen kann
und weinen,
dann
realisiere ich irgendwann
jetzt,
kurz neben der Sonne,
dass ich das alles will,
was auch immer es ist,
dich, mich und das Alles,
wo das Ziel ist,
am Ende will ich das Alles gemacht haben,
erlebt haben,
mich verschwebt haben,
abschweifen.
am Feuerwerk vorbeigreifen,
die Sterne erreichen.
Vom Mond spucken,
Vögeln zugucken,
euch umarmen.
Das Alles.
Alles mit Artikel.