Vanessa Meier Soll das alles gewesen sein? (Jugendliche melden sich zu Wort)

Hördatei: 

 

Dreizehn Uhr. Noch
schlaftrunken öffnet sie die Augen, beginnt zu blinzeln, ist verärgert über die
Sonnenstrahlen, die durchs Fenster scheinen und sie blenden. Erst ganz schwach,
dann immer stärker spürt sie die Beklommenheit, das monotone Klopfen in ihren
Schläfen. Wie in Zeitlupe versucht sie sich aufzuraffen, schafft es mit Mühe
und Not, sich im Bett aufzusetzen. Ihr Blick fällt zur Seite, ihr stockt der
Atem, denn erst jetzt sieht sie ihn. Ihn, der ruhig in ihrem Bett liegt und
schläft. Langsam lichtet sich ihr Schleier, und sie beginnt sich zu erinnern,
daran, wie und wo sie ihn gestern kennen lernte. „Verdammt!", flucht sie und
versucht die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.

 Sie steht auf und bahnt sich einen Weg durch
die unzähligen Kleidungsstücke und Bierflaschen einen Weg in die Küche. Dort
angekommen, gießt sie sich ein Glas Wasser ein, wirft eine Tablette hinein und
lässt sich auf einen der Stühle fallen. Langsam nimmt sie das Glas in beide
Hände, setzt es an, trinkt einen Schluck und verzieht angewidert das Gesicht.
Der bittere Beigeschmack der Tablette lässt sie würgen. Er erinnert sie an den
schalen Geschmack ihres eigenen Lebens. Es sollte doch alles anders werden,
ganz anders. Sie beginnt zu weinen. Immer wieder stellt sie sich die Frage:
Soll das alles gewesen sein?"