CFP: [kɔn]-paper Nr. 9 zum Thema ›Lärm‹

2. Februar 2022

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Die neunte Ausgabe der [kɔn] gehört ganz dem Thema ›Lärm‹. Vom Urknall über Punkkonzerte und Demogesänge bis hin zur Geistervertreibung durch Kuhglockengeläut und düsenjetlauten Babyschreien bei der Sorgearbeit: Lärm durchzieht die Disziplinen ebenso wie den Alltag. Er bewegt sich zwischen Lautstärke und Stille, wird juristisch definiert und subjektiv beurteilt, er wird eingefordert und verboten, produziert und unschädlich gemacht.

Ob Kurzgeschichte, Gedicht, Glosse, Dramolett oder Essay – wir freuen uns auf eure Beiträge für die neue [kɔn]! Passend zu unserer neunten Ausgabe haben wir neun Lärm-­Inspirationen für euch gesammelt:

1. Widerständiger Lärm

Es wird laut. Ob auf dem Tahrir-Platz oder bei den 68ern, bei Fridays for Future oder Ni Una Menos – Lärm ist ein politisches Instrument. Er nimmt Raum ein und definiert ihn neu. Über Stimmbänder und Trillerpfeifen formen sich gemeinschaftliche Protest-Körper und zeigen, dass die ursprüngliche Wortbedeutung von ›Lärm‹ bis heute aktuell ist: Denn begriffsgeschichtlich beruht Lärm auf dem italienischen Aufruf, zu den Waffen zu greifen – all’arme! – woher auch das deutsche ›Alarm‹ stammt.

2. Lärmende Natur

Wie die Trillerpfeifen der Demonstrierenden fordern Löwen mit ihrem Brüllen bestehende Machtverhältnisse heraus. Brüllaffen verständigen sich kilometerweit über Baumwipfel hinweg, das Knallen winziger Pistolenkrebse beim Duell ist lauter als Babyschreie oder Düsenjets und im Namen des ­Kranichs werden lautmalerisch seine trompetenhaften Rufe nachgezeichnet. Angefüllt von Gurren, Grunzen, Trompeten oder Sonar-Klickgeräuschen wird jedes Biotop von seinem ganz eigenen Lärmteppich bedeckt.

3. Lärm-Körper

Von Tinnitus und Gehörverlust über Lärmfolter bis hin zu Lärmkanonen, mit denen man auf Spatzen schießt wie Mao Zedong 1958 (oder in deutschen Innenstädten mit Ultraschall-­Lautsprechern auf Tauben) – Lärm wirkt körperlich. Und das im großen Stil: Menschengemachter Lärm zerstört natürliche Klanglandschaften: Er lässt nicht nur Vögel in Großstädten anders singen, sondern verändert auch radikal das Leben der Meerestiere, die ­Schallwellen zur Jagd, Partnerïnnensuche oder Kommunikation nutzen.

4. Juristischer Lärm

In Umwelt- und Arbeitsschutzgesetzen, im Miet- wie Strafrecht ist ›Lärm‹ ebenso präsent wie im aktuellen Koalitionsvertrag. Ob durch Flüsterasphalt auf Autobahnen, Schallschutzmauern, Big Bubble Curtains unter Wasser oder Verordnungen gegen brüllende Kinder in Flugzeugen – sobald ein hoher Geräuschpegel zur Belastung und Belästigung wird, greifen juristische Rädchen auf der Suche nach technischen Lösungen ineinander.

5. Farbenfroher Lärm

›Lärm‹ kann nicht nur spür-, sondern auch sichtbar sein: Der Pop-Artist Roy Lichtenstein brachte Lärm und Geräusche aus dem Comic auf die große Leinwand – Onomatopoesie als Grenzgängerin zwischen Gehörgang und Augenschein. Visualisierte Geräusche zeigen sich im vibrierenden Wasserglas, sie werden von Oszilloskopen als feine schwarze Linien auf Papier gezeichnet und als Unsichtbares aus der Luft auf glatte Oberflächen gebannt – nicht zuletzt filmisch wie im Jahrhundertwerk Berlin: Sinfonie einer Großstadt.

6. Dramatischer Lärm

Ob metaphorisch, thematisch oder in seiner ganzen knallenden Herrlichkeit – nirgends zeigt sich der Lärm so unterhaltsam wie im Theater: Man denke nur an Shakespeares Viel Lärm um Nichts, Elfriede Jelinek, die 2021 mit Lärm das Stimmengewirr der Pandemie einfängt oder Martin Kušejs Faust-Inszenierung, die 2016 die Zuschauerïnnen mit ohrenbetäubenden Explosionen aus dem Theaterschlaf riss. Dabei beeindrucken dramatische Lärmeffekte und aufwendige Kostüme bereits seit Jahrhunderten bei kulturellen Großereignissen wie dem ­chinesischen Neujahr oder dem Klausentreiben in Alpenregionen.

7. Literarischer Lärm

Auch zwischen den Seiten von Romanen und Gedichtbänden findet sich ein wahres Fest ­lärmender Buchstaben. Mit dem Aufkommen der Metropolen, Automobilen und Zügen bevölkern ab dem 19. Jahrhundert immer mehr lärmende Objekte die Literatur. Zugleich ist der Lärm schon immer erklärter Feind der Schreibenden: War es früher der tollwütige Hund, der Horaz zwischen die Verse grätschte, sind es später für Rilke elektrische Bahnen und lachende Scherben, die ihm die Konzentration zerschneiden.

8. Lärm-Schutz

Hundegebell, Babygeschrei oder Straßenbahngebimmel – laute Geräusche werden häufig als Störung empfunden. Neue Lärmquellen fordern neue Erfindungen wie schalldichte Räumen oder etwa dem »Isolator Helmet« von 1925. Angesichts solcher Selbsttechniken zeigt sich der Lärm auch als Klassen- oder Geschlechterfrage – man denke an Virginia Woolfs Essay A Room of One’s Own: ein Raum frei von Störgeräuschen, ein Denkraum.

9. Wohltemperierter Lärm

Des einen Genuss ist des anderen Lärm – während neue Musikrichtungen häufig gegen den Vorwurf ›nichts als Lärm‹ zu sein ankämpfen, feierten etwa Punk-Bands diese Missbilligung und zelebrierten ihre Musik programmatisch als ›extreme noise‹. Wann und warum Klang für wen zu Musik wird und wann zu Lärm, hängt nicht nur von der Lautstärke ab, sondern ebenso von soziokulturellen Praktiken und konfligierenden Konzepten von Gewohnheit und Genuss – dem eigenen Wissensstand und dem des Feuilletons.

Genug Lärm von unserer Seite, nun seid ihr gefragt:

Wir suchen für die neunte Ausgabe der [kɔn] zum Thema ›Lärm‹ Beiträge auf der ganzen Bandbreite des Wortes – ob als Phänomen des Tierreichs, der Stadtplanung, des Widerstands oder der Bühne – wir wünschen uns Beiträge, die sich sowohl inhaltlich als auch in der Form über das ganze Spektrum der Disziplinen verteilen. Einreichen könnt ihr alles von Texten zu Erfindungen, die Lärm erschaffen oder vermeiden, über Beiträge zu ›Lärm‹ als sozialer Frage bis hin zu Artikeln über ›Lärm‹ in den Künsten.

Bis zum 03.02.2022 freuen wir uns über fertige Beiträge für das Ressort Wortkunst und Ab­stracts von bis zu 300 Wörtern für Essay- und Feuilletonbeiträge. Die fertiggestellten Essay- und Feuilleton-Beiträge mit einer Länge von 6000 bis 20000 Zeichen (die Länge wird bei ­Zusage gemeinsam mit den Ressortleiterïnnen festgelegt) sollen bis April vorliegen. Die Zusagen erfolgen in der Woche ab dem 14. Februar 2022.

Wir sind gespannt! xoxo – eure [kɔn]-Redaktion

 

Kontaktmöglichkeit

Pia Lobodzinski, Chefredakteurin

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Henrike Reintjes und Adela Sophia Sabban, Ressort Essay

essay@kon-paper.com

 

Felix Lindner und Johannes Spengler, Ressort Feuilleton

feuilleton@kon-paper.com

 

Henriette Hufgard und Fabian Widerna, Ressort Wortkunst

wortkunst@kon-paper.com