macondo sucht 'Schurken'-Texte (20. September)

20. September 2010

Aufruf

Texte und Fotos zum

„Schurken“

gesucht

Der Held von heute ist oftmals der Schurke von morgen – zwischen dem, was als heroische Tat gefeiert wird, und dem, was als hinterhältige Schurkerei verdammt wird, liegen oftmals nur Nuancen. Und manchmal – und zwar nicht nur beim Fußball, auch in der politischen Auseinandersetzung – ist beides lediglich eine Frage des Blickwinkels. Deshalb wurde uns beim Sichten der Texte für die aktuelle Ausgabe von Macondo zum Thema Helden schnell klar, dass wir uns beim nächsten Mal der anderen Seite der Medaille zuwenden wollen.
Was wäre Othello ohne Jago, James Bond ohne Dr. No oder Jesus ohne Pontius Pilatus? Jeder strahlende Held braucht seinen finsteren Gegenspieler – der Konflikt bietet reichlich Stoff für ein gutes Drama. Dabei sind in der Literatur – genau wie auch im Film – die Schurken oftmals die spannenderen und tiefschichtigeren Charaktere. So mag Goethes Drama zwar Faust heißen – aber ist nicht Mephisto eigentlich die interessantere Figur? Und Joanne K. Rowling hätte ihre Leser bestimmt nicht über sieben dicke Romane bei der Stange gehalten, hätte sie nur einen Harry Potter, aber keinen Lord Voldemort erschaffen. Immer wieder betonen daher auch Schauspieler, dass sie besonders die Bösewichter-Rollen reizen – Marlon Brando wäre nicht zur Legende geworden ohne seine Rolle als Mafia-Boss Don Vito Corleone in der Verfilmung des „Paten“. Auf der Hitliste der „50 größten Filmschurken“ steht Hannibal Lecter ganz oben – gefolgt von Norman Bates, Darth Vader und der Bösen Hexe des Westens.

Das Böse übt auf uns Menschen eine unheimliche Faszination aus, weil es die gesellschaftlichen Normen und Moralvorstellungen, nach denen wir leben, in Frage stellt und letztlich sogar sprengt. Ganze literarische Genres – vom Kriminalroman über den Thriller bis hin zur Horrorliteratur – leben von diesem Reiz, die die „dunkle Seite“ auf uns ausübt. Und einmal im Jahr, zum Karneval, trauen sich auch die Friedfertigsten unter uns, in eine fremde Haut zu schlüpfen: Hexen und Teufel zählen zu den beliebtesten Karnevalskostümen, beim immer populärer werdenden Halloween dürfen es dann auch der Sensenmann oder der Vampir sein. Denn wir wissen längst, das die Grenzen zwischen Gut und Böse schon lange nicht mehr derart eindeutig verlaufen, wie es der gute, alten Western noch suggerierte: Die Guten hatten weiße Hüte, die Bösewichte trugen schwarz. Ist es nicht vielmehr so, dass jeder den Keim des Bösen in sich trägt? Man denke nur an Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Wozu der Mensch tatsächlich fähig ist, das zeigt sich oft erst in Ausnahmesituationen. Shakespeares Macbeth etwa, der erst als gefeierter Kriegsheld erscheint, wandelt sich im Laufe des Stücks zu einem machtbesessenen, kaltblütigen Mörder.

Auch im wirklichen Leben sind die Eindeutigkeiten längst verschwunden: Die größten Verbrecher tragen Nadelstreifen, residieren in Glaspalästen, die Brandstifter tarnen sich als Biedermänner hinter gutbürgerlichen Fassaden, die Fratze des Bösen versteckt sich hinter der Maske des netten Onkels von Nebenan.
Und selbst, wer das Gute will, kann nicht ausschließen, dass er Böses schafft: Die Terroristen der R.A.F. verfolgten aus ihrer Sicht hehre und schlüssige Ziele – die Methoden, die sie wählten, ließen sie zu Mördern werden. Rechtfertigt der „Krieg gegen den Terror“ den hundertfachen Tod unschuldiger Zivilisten und das reihenweise Sterben von Soldaten? Und sind brennende Autos ein Mittel, um gegen die Gentrifizierung und soziale Veränderung ganzer Stadtteile zu kämpfen? Vielleicht haben die letzten „reinen Schurken“ ausgerechnet in der Politik überlebt – in Form der „Schurkenstaaten“ auf der „Achse des Bösen“. Doch wenn es letztlich darum geht, eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, werden selbst Regimes, in denen Menschenrechtsverletzungen zum Alltag gehören, plötzlich salonfähig.

Wir suchen Texte über große Schurken, über abgrundtiefe Bösewichter und kleine Ganoven, über das Grauen, das im Alltag lauert und über die dunklen Seiten eigentlich strahlender Helden. Wir freuen und auf Lug und Trug, Verbrechen und Verrat, Feigheit und Falschspielerei.

Je AutorIn werden (auch bei Lyrik!) höchstens fünf Texte gelesen, die maximale Länge pro Text beträgt 35.000 Anschläge. Fotos sollten möglichst Schwarz/Weiß oder sehr kontrastreich sein. Bei Einsendungen von Fotos auf digitalen Speichermedien bitten wir, zusätzlich Papierausdrucke beizufügen. Eine Kurzbiographie ist in jedem Fall beizufügen. Die Rücksendung der Texte und Fotos ist nur gegen Übersendung eines ausreichend frankierten und selbstadressierten Rückumschlags möglich; eine individuelle Beurteilung kann nicht erfolgen.

Der Einsendeschluss zum Thema „Schurken“ ist der 20. September 2010,

Einsendungen und Anfragen an den

Verlag im Laerfeld
Laerfeldstr. 35
44803 Bochum.

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