Steffens, Marec Béla

Marec Bela Steffens

siehe auch die homepage des Autoren: www.maerchenkater.de




Marec Béla Steffens


Mit offenen Augen für die Schönheit und die Absurdität des Alltags haben Marec Béla Steffens (aus Hamburg) und seine Frau Krystyna (aus Warschau) schon in vielen Ländern gelebt – auch zweimal in Houston, zuletzt von 2012 bis 2016. Dies ist nach „Kater, erzähl mir ein Märchen“, „Der Straßenbahnschaffner von Venedig“, „Die Welt der Buchstaben“, „Die Briefmarke von Dublin und der Grabstein von Prag“ sowie „Der Räuber Thymian“ (der da noch in der Heimat sein Unwesen trieb) .



Kleiner Auszug aus einem Märchenkater-Buch

DIE ERBSEN UND DER SCHLAF (Ausschnitt)

Es war einmal eine Erbse, die hatte noch viele Geschwister. Und sie alle konnten nur schlafen, wenn mindestens acht Matratzen auf ihnen lagen, und ganz obendrauf eine Prinzessin. Acht Matratzen sind eigentlich nicht besonders viel; in der guten alten Zeit hatte jede Erbse zwanzig Matratzen zur Verfügung gehabt, und selbstverständlich jede Erbse ihre eigene Prinzessin. Und wie gut es die Erbsen zur Zeit König Salomos erst gehabt hatten!
Heute waren Matratzen knapp geworden im Schloß, und Prinzessinnen auch. Man mußte sie rationieren. Die beunruhigten Erbsen gaben Inserate in der Zeitung auf, um weitere Prinzessinnen anzuwerben.
Aber die Prinzessinnen wollten nicht kommen. Sie hatten nämlich Angst vor dem Drachen, der gleich neben dem Schloß seine Höhle hatte. Dabei machte sich der Drache überhaupt nichts aus Prinzessinnenfleisch. Er ernährte sich nur von Räucherfisch - aus eigener Räucherei mit selbstgespuckter Flamme. Fisch, den er übrig hatte, verkaufte er auf dem Markt, und nebenbei betrieb er noch einen Bratwurststand.
Der Drache schlief übrigens vorzüglich. Man hätte ihm sein Asbestbettlaken unter dem Leib wegstehlen können, ohne daß er aufgewacht wäre. Als Haustier hielt er sich einen Feuersalamander, und auch der schlief wie ein Stein - wie ein Feuerstein. Die Erbsen waren grün vor Neid.
Sie versuchten es mit Schlaftabletten, wobei es nicht einfach ist für eine Erbse, eine von diesen großen Schlaftabletten zu schlucken. Doch es half nichts. Ohne die acht Matratzen und die Prinzessin ganz obendrauf fanden sie keinen ruhigen Schlaf. In einer Nacht weinten sie so sehr, daß die Prinzessin sich vorkam wie in einem Wasserbett. Und die Erbsen fühlten sich an einen Gruselfilm erinnert, in dem eine Erbsensuppe vorgekommen war.
Das andere Gemüse hatte es nicht so schwer. Die Mohrrüben zum Beispiel, diese Plebejer! Denen reichten schon drei Matratzen und eine Kammerzofe. Oder die Bohnen. Sie nannten sich zwar Prinzeßbohnen, doch in Wirklichkeit hatten sie zum Schlafen nichts weiter als einen Strohsack und obendrauf eine Küchenmagd. Aber wenn man sie reden hörte! "Bohn jour" und "Bohn appetit", so ging das den ganzen Tag. Richtig bohniert waren sie.
Sie verachteten die Erbsen, sie wollten nicht mit ihnen in einen Topf geworfen werden. Sie sagten, die Erbsen seien allenfalls für Bettelmönche gut genug, während die Bohnen ihre Abstammung vom Hl. Bohnifatius herleiteten. Und auf den Korridoren hinterließen sie überall ihr Bohnenwachs, so daß die armen übernächtigten Erbsen ausrutschten und die Treppen herunterkullerten. Nein, die Erbsen waren den Bohnen nicht grün.
Und es kam noch schlimmer. Den Prinzessinen waren die Erbsen plötzlich nicht mehr vornehm genug. Sie wollten nur noch auf Austern schlafen. Der Schatzmeister war von der Idee nicht begeistert, und eigentlich fanden auch die Prinzessinnen die Austernschalen recht unbequem. Sie wollten es aber nicht zugeben, und so hatten die Erbsen das Nachsehen. .....
Da sie nur noch schlecht schliefen, wurden die Erbsen reizbar und streitsüchtig. Selbst den Bohnen wurde es zuviel, und sie boten den Erbsen ihre Hilfe an. Um ihnen neue Prinzessinnen zu verschaffen, setzten sie ihren Spezialagenten ein: James Bohnd. Der setzte sich mit General Gogol in Verbindung, doch die Prinzessinnen Natascha, Olga und Tatjana, die der ihm anzudrehen versuchte, waren allesamt keine echten Romanows.
Als nächstes versuchten die Erbsen, sich von einem Versandhaus neue Prinzessinnen schicken zu lassen. Das Angebot war nicht schlecht, aber das Versandhaus nahm die Bestellung der Erbsen nicht an. Es hieß, ihre Bohnität sei nicht ausreichend. Gerade das mußte man ihnen vorwerfen
Die wütenden Erbsen kullerten sofort zu einem Rechtsanwalt. Erregt diskutierten sie mit ihm: "Ich erbse, du erbst ..." Man glaubt nicht, was für komplizierte Rechtsfragen das Erbsrecht aufwirft. Bei einem Risotto zum Beispiel, welches Reiskorn ist da erbsberechtigt? Wegen solcher Fragen war es in Spanien und anderswo zu regelrechten Erbsfolgekriegen gekommen. ....

 

 

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