Brockmann, Bernhard: Mord und Totschlag vor dem Gogericht auf dem Desum im 16. Jahrhundert.

Brockmann, Bernhard
Mord und Totschlag vor dem Gogericht auf dem Desum im 16. Jahrhundert.
Der Prozess gegen Arndt Bullingk wegen Totschlags im Jahre 1553 im Vergleich mit ähnlichen Verfahren vor den Gogerichten Damme und Sutholte bei Goldenstedt.
Herausgegeben von der Interessengemeinschaft
„Altes Gogericht auf dem Desum“ e.V.
 ISBN 3-937844-18-X

224 Seiten, 10.00 Euro

 

 

Mord und Totschlag vor dem
Gogericht auf dem Desum im 16. Jahrhundert.

Der Prozess gegen Arndt Bullingk wegen Totschlags im Jahre 1553 im Vergleich mit ähnlichen Verfahren vor den Gogerichten Damme und Sutholte bei Goldenstedt.

Bernhard Brockmann, der bereits durch verschiedene Veröffentlichungen im rechtsgeschichtlichen Bereich von sich Reden machte, ist hier ein besonderes Stück Literatur gelungen. Das vorliegende Buch ist kein Kriminalroman, kein Buch der Unterhaltungslektüre, sondern ein rechtshistorisches, heimatgeschichtliches Sachbuch. Es soll dem interessierten Leser an einem Beispielfall aus dem Jahre 1553 gezeigt werden, wie das Gogericht auf dem Desum bei Emstek im 16. Jahrhundert nach althergebrachten Formen und Ritualen einen Totschlagsfall verhandelte und aburteilte. Dabei wird das Geschehen auf dem Desum eingeordnet in die allgemeine strafrechtliche Rechtspflege der damaligen Zeit im heutigen Oldenburger Münsterland und darüber hinaus. Insbesondere wird zum Vergleich Bezug genommen auf ähnliche Totschlagsfälle, die im 16. Jahrhundert vor den Gogerichten Damme und Sutholte bei Goldenstedt verhandelt wurden.
In dem Buch werden die Fälle mit Originalunterlagen (in Original und Übersetzung) dokumentiert und für den Laien verständlich gemacht und ihrer Bedeutung ausgewertet.


Leseprobe:

Die Gogerichte allgemein

Unter Go versteht man im altsächsischen Stammesgebiet, zu dem spätestens ab der Mitte des ersten Jahrtausends n. Chr. auch unser Raum gehörte, einen Dorfschaftsverband von in der Regel bis zu 40 Dörfern mit je 4-6 Höfen, so dass ein Go bis zu ca. 250 Höfe umfassen konnte. Das Gericht eines solchen Dorfschaftsverbandes war das Gogericht, dessen Zuständigkeit zunächst allumfassend war. Das Gogericht war nicht nur für die bäuerliche Bevölkerung zuständig, wenn diese auch in den früheren Jahrhunderten in unserem Raum den weitaus größten Bevölkerungsanteil stellte.
Anfänglich war nicht nur die richterliche Tätigkeit Sache eines Gogerichts. Das Gogericht erledigte auch, wenn man in heutigen Begriffen sprechen will, alle Verwaltungsaufgaben in dem Dorfschaftsverband. Es war ursprünglich für alle Bewohner eines Gos zuständig, für Freie und Unfreie, für alle zivilrechtlichen, strafrechtlichen und öffentlichrechtlichen Angelegenheiten. Wobei anzumerken ist, dass zwischen diesen mit heutigen Begriffen gekennzeichneten Rechtsgebieten in früheren Jahrhunderten nicht unterschieden wurde.
In der Rechtsgeschichte und in der Allgemeinen Ge-schichte ist streitig, wann und wie die Gogerichte entstanden sind. Diese Streitfrage kann hier nicht weiter erörtert werden. Wir sind mit Klaus Bemmann der Auffassung, dass die Gogerichte eine altsächsische Einrichtung aus der Zeit vor Karl dem Großen sind. „Die Gogerichte sind alte
sächsische Volksgerichte, die in Aufbau, Verfahren, Zuständigkeit und äußeren Rahmenbedingungen in ihrer ganzen geistigen und traditionellen Substanz genau den heidnischen Gauthings entsprechen“, sagt Klaus Bemmann zu Recht.
Die Gogerichte tagten grundsätzlich – jedenfalls bis Mitte des 17. Jahrhunderts – unter freiem Himmel, nicht in geschlossenen Räumen. So heißt es zum Beispiel in einem „Bericht des Amts Vechta über die Gogerichte auf dem Desum und zu Damme“ vom 31. März 1571 zu dem Desumgericht:
„und wirt das selbige gogerichte im velde under einem boeme gehalden und licht na by dem kerkdorpe Embsteck“.
Für die Verhandlungen vor den Gogerichten galt, wie Christoph Riggenbach es ausdrückt: „Unter freiem Himmel tritt die Gerichtsgemeinde zusammen. Sie folgt damit uraltem germanischem Brauche. ... Nur bei Tag, in hellem Lichte, soll gerichtet werden. Klar und ehrlich und offen soll es zugehen.“
Das Verfahren wurde mündlich und öffentlich geführt. Akten gab es damals nicht. Protokolle wurden zum Beispiel beim Desumgericht erst ab 1578 geführt. Der nach der Verhandlung verfasste Gerichtsschein war vorher das einzige Schriftstück in Verfahren der Art, wie sie Gegen-
stand dieses Buches sind

 

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