Dem Krebs zum Trotz.

Autor: 

Gisa M. Zigan
Dem Krebs zum Trotz
ISBN 3-936389-47-0
10.00 Euro

Hrsg. von Gisa M. Zigan.

Dem Krebs zum Trotz.

Texte, die Mut machen!

Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2003.


In dieser Anthologie soll versucht werden, noch immer bestehende Tabus und Ängste zum Thema Krebs zu durchbrechen. Das Schwergewicht der Darstellung liegt dabei auf der Thematik, wie weit die Diagnose tatsächlich das Leben verändert. Ist es ein radikaler Bruch, eine Veränderung grundlegender Einstellungen, Gefühle, Erwartungen?
Die Autoren des Buches gehen das Thema mit den unterschiedlichsten literarischen Mitteln an. Von der Lyrik über die Tagebuchaufzeichnungen bis hin zur kunstvollen, literarischen Erzählung auf unterschiedlichem sprachlichen Niveau ist in dieser Anthologie von der Herausgeberin eine mehr als geglückte Auswahl getroffen worden.
Dem Leser machen diese Texte Mut. Dem direkt Betroffenen, weil er merkt, dass er nicht alleine steht, dass seine Fragen an das Leben auch die Fragen anderer sind. Dem nicht betroffenen Leser wird es auffällig sein, dass es trotz, wenn nicht sogar wegen der Radikalität der körperlichen Betroffenheit gelingt, neue und sehr bewusste inhaltliche Positionen zu gewinnen.
Ein Buch, das sicherlich bei Betroffenen und Angehörigen einen festen Platz in der Auseinandersetzung mit der Krankheit gewinnen wird.



Inhaltsverzeichnis
Gisa M. Zigan Vorwort
Bernd Schuchter Augenbrüche
Knut Stegmann Totentanz
Birgit Richter Der Kampf, Der Tod des kleinen Krebses
Romina Lutzebäck Alles in Ordnung!
Carmen Caputo Kleines Dorf, Vorgestern, Ungefragt, Neugier, Verfolgung, Tautropfen, Veränderung, Sperrgut, Schlupfloch, Treibsand
Ingetraut Ahrens Früchte des Meeres
Katharina Waterkamp Alles hat seine Zeit, Ungewissheit
Christa Seydel Wegbegleitung
Urte Skaliks Knoten in der Brust
Michaela Grollegg One Way Ticket
Eduard Breimann Lebenswege
Romy Schmidt Stark wie eine Eiche
Rosemai Schmidt Diagnose Krebs - oder - wie ich zu leben lernte
Ines Heckmann Malignom
Sigrid Schwach Heilung
Verena Liebers Blinklicht
Gisa Margarete Zigan Ankunft Brüssel siebzehn Uhr zwölf
Bärbel Schäfer Krebstagebuch
Andrea Heinisch-Glück Abschied
Sabina Lorenz Sie sammelt Blau
Marion Gebauer Der Schmerz
Patricia Wittmann Krebs im Interview
Rosemarie Rieck Betrachtung
Michael Plewe unzahlbar
Helga Hamelbeck Nicht gezählte Tage
Stephanie Semisch Ein T wie Tumor
Renate Sommer Was immer auch geschieht, Aus meinen „Fliegenden Blättern“
Christel Knoop Es ist der Schrei, nicht der Schmerz


Leseprobe
Bernd Schuchter Augenbrüche
Wenn ich zurückblicke und die letzten beiden Jahre übersehe, kann ich mich nur darüber wundern, wie schnell sich das Leben ändern kann. An einem Tag glaubt man, sein Leben zu kennen und am anderen Morgen steht man vor den Trümmern seiner Existenz. Wie oft ist man sich nicht sicher seiner selbst, macht Pläne, schmiedet Träume, und dann kommt es anders, als man will.
Früher frönte ich noch dem Aberglauben, Dinge und Ereignisse, die ich mir wünschte, nicht auszusprechen, bevor sie verwirklicht wären. Ähnlich den Wünschen, die man Glücksbrunnen in Form einer Münze anvertraut. Über diese Wünsche darf man ja auch nicht sprechen. Ähnlich hielt ich es mit jenen Zielen, die ich mir selbst vornahm und die mir als durchführbar erschienen. Doch es liegt eben nicht alles in meiner Hand, das musste ich erkennen. Und das alles geschah innerhalb eines Zeitraumes von nur zwei Jahren.
Aber hat Zeit wirklich jene Bedeutung, welche die meisten Menschen versucht sind, ihr beizumessen?
Das, was geschah, hätte genauso gut innerhalb von vierzehn Tagen geschehen können und, auch dessen bin ich mir sicher, es passierte zwangsläufig. Ich hätte nichts dagegen unternehmen können.
Aber alles der Reihe nach. Vor gut zwei Jahren lebte ich in einer mehr oder weniger glücklichen Beziehung zu einer Frau, wir hatten eine gemeinsame Wohnung und viel Zeit, denn wir waren beide Studenten. Wir waren jung, hatten ausreichend Geld, denn unsere Ansprüche beschränkten sich auf gelegentliche Kinobesuche oder einen kurzen Urlaub, und so störte eigentlich nichts unser glückliches Schicksal. Es war der Monat der Liebenden, der Mai, in dem wir unser vierjähriges Jubiläum feierten, als meine Freundin beiläufig erwähnte:
„Meiner Mutter geht es nicht so gut. Sie hat immer wieder Gelenkschmerzen.“
„Rheuma?“, fragte ich, denn dieses Leiden hätte ich bei einer Frau von fünfzig Jahren nicht ungewöhnlich gefunden. „Ich weiß nicht, möglich“, erwiderte meine Liebe, Julia mit Namen.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte ich, das weiß ich noch, als ob ich diesen Satz erst heute ausgesprochen hätte und mir klingt noch immer meine damals irgendwie hohl anmutende Stimme im Ohr.
Für eine gewisse Weile war dann auch nicht mehr davon die Rede. Julias Mutter ging in die Klinik, um sich untersuchen zu lassen. Doch so viele Untersuchungen sie auch über sich ergehen ließ, die Ärzte fanden nichts. Gertrud, so hieß Julias Mutter, wurde auf die Rheuma-Ambulanz überwiesen, und wieder folgte eine Untersuchung auf die andere, doch ohne Ergebnis. Ich dachte mir noch immer nichts dabei, aber die Schmerzen blieben. Behandelt wurde Gertrud nun auf Rheuma, und die verschiedensten therapeutischen Maßnahmen waren die Folge.
In diesem Sommer fuhr Julia mit ihrer Schwester in den Urlaub, da ich arbeiten musste, und ich weiß noch, wie wir, also Gertrud, ihr Mann Heiner und ich, auf der Terrasse des Flughafens saßen und Julia verabschiedeten. Sie winkte noch, als sie zum Flugzeug ging, aber die Szene war seltsam gebrochen, denn als ich auf Gertrud blickte, bemerkte ich Tränen in ihren Augen. Sie war merklich gealtert in den letzten Monaten und sah müde und erschöpft aus. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl .........