Kinderphilosophen zum Thema Grenzerfahrung (Kindergarten Berne)

Kinderphilosophen
zum Thema ‚Grenzerfahrungen’
Ein Projekt des Kindergartens Berne


Schmitz-Major, Linda (hg.)

Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2009
ISBN 978-3-86685-220-4
28 S., brosch.
3 Euro

Vorwort

Was wir vor uns liegen haben, ist ein nur kleiner Ausschnitt aus einem langfristigen Projekt des Kindergartens Berne.
Dessen Leiterin Linda Schmitz-Major hatte 2008 an den Ersten Berner
Bücherwochen als Autorin teilgenommen; die Beiträge, die sie
einreichte, wiesen sie aus als vom Wohlergehen der Kinder beseelt. In
der vom Verlag geforderten Selbstdar¬stellung schrieb sie: „Sehr nah
ist mir (...) der Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft“. Ihr in
der Anthologie „ZwischenZeiten“ enthaltener Text „Das kleine grüne
Ding“ belegt eindringlich, wie ernst ihr damit ist.
Nachdem die Zweiten Berner Bücherwochen Anfang des Jahres 2009 mit der
Bekanntgabe des neuen Ausschreibungsthemas „Grenzerfahrungen“ gestartet
waren, konzipierte Linda Schmitz-Major mit ihren Kolleginnen das
Projekt „Kindergarten¬kinder philosophieren über Grenzen“. Eherne Basis
des Projektes war der Respekt vor den Kindern.  Daraus leitete sich
erstens das Gebot ab, die beteiligten Kinder nicht zu überfordern, was
auch hieß, nichts in sie „hineinzutragen“, ihnen nichts
aufzuoktroieren. Zweitens der Appell, die Kinder auch nicht zu
unterfordern, also: die Kinder und ihre Fähigkeiten ernst, „für voll“,
zu nehmen, sie mit ihren Gedanken, Handlungen und Aussagen „konkret“ zu
achten.
„Eine Grenze: Was ist das?“, „Kennst du Gren¬zen?“, „Welche?“: Solche
vermeintlich simplen Fragen bildeten den Anlass erst für
Spiel¬situationen, dann für gemeinsames Nachdenken und
Miteinanderreden. Die Ergebnisse wurden fortlaufend in einer Kladde,
dem „Blauen Buch“, und gelegentlich auch in Fotografien festgehalten.
Was dabei an gedanklicher Tiefe, an Erkenntnis von Zusammenhängen, an
Einfühlungsvermögen der Drei- bis Sechsjährigen zutage getreten ist,
lässt sich selbst mit Attributen wie „erstaunlich“ oder „umwerfend“
nicht annähernd angemessen würdigen. Für mich hat die Faszination, die
das „Kinderphilosophen“-Projekt auf alle Außenste¬henden ausübt, viele
Gründe: Etwa den Eifer, mit dem die Beteiligten zu Werke gegangen sind,
ihre flammende Begeisterung, die spürbar alles trägt. Und nicht
zuletzt, dass es zeigt, zu welchen Denkleistungen Kinder imstande sind,
wenn man sich auf ihre Gedanken einlässt, wenn man sie respektvoll
begleitet und ernst nimmt. Sich mit den Kleinsten und Schwächsten auf
Augenhöhe zu begeben, ihren Blickwinkel einzunehmen, ist ein lohnendes
Unterfangen, lehren die „Kinder¬philosophen“. Was wir als Erwachsene
dabei gewinnen können, sind Verständnis und Gelas¬senheit.
Die Kinder danken es uns. Denken, kindliches Denken zumal, muss sich in
Ruhe und frei von Zwang entfalten können, dann kann es sich
aufschwingen und sogar Höhenflüge meistern. Denken macht klug und
stark, auch und gerade unsere Kleinsten. „Die Berner Kinderphilosophen“
bieten dafür ein eindrucksvolles und anrührendes Beispiel.
Die „Kinderphilosophen“ waren im Kindergarten Berne keine
Eintagsfliege. „Grenzen“ und „Grenz¬erfahrungen“ sind in diesem Jahr
von den Erzieherinnen sporadisch immer neu thematisiert worden,
untereinander, im Austausch mit Eltern und Freunden, in Gesprächen mit
den Kindern. „Jeden Morgen ein gemeinsames Frühstück und dabei die
Gedanken fließen lassen. Heute erklärte uns der 6-jährige Pelle
„Lebensgrenzen“, lautet ein Eintrag im „Blauen Buch“ von letzter Woche,
„Die Kinder haben mir klar gemacht, dass ‚Nein’ eine unsichtbare Grenze
ist“, eine andere.
So ist das mit dem Denken: Einmal begonnen, will es nicht enden. Das
nachvollziehbar gemacht zu machen, zählt zu den Verdiensten dieses
außergewöhnlichen Projektes. Für die an Highlights reichen Zweiten
Berner Bücherwochen bildet es deshalb für mich das eigentliche
„Tüpfelchen auf dem i“.

Reinhard Rakow

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