Sag es in Worten ... Texte junger Autoren und Autorinnen aus Nordhorn. Hrsg. von Gerhard Butke

Saskia Amsink
Meike Büscher
Kevin Großmann
Louisa Pietruschka
Jessica Schoo
Bassam Sbeih
Rieke Timmerij
Marie Julie Rahenbrock

Sag es in Worten

Texte junger Autorinnen
und Autoren aus Nordhorn

Herausgegeben von Gerhard Butke
Geest-Verlag 2012
ISBN 978-386685-361-4

204S., 12.00 Euro

 

 

Die Mitwirkenden mit jeweils einem wichtzigen Satz aus dem Buch:

Stille. Schwärze. Dann reißt mich die Dunkelheit mit sich. Ich werde nicht mehr einsam sein. (Marie Julie Rahenbrock)
... und ohne aus einem Nichts ein Kunstwerk ent­stehen zu lassen. (Rieke Timmerij)
Auch wenn alles nicht immer so leicht war, war ihr Leben toll. Toll, weil sie Freunde hatte, die zu ihr hielten. (Jessica Schoo)
... doch manchmal in der Stille, so ganz im Stillen, habe ich ein Verlangen ... (Louisa Pietruschka)
Warum vermisse ich meinen Bruder jetzt schon, wenn er Sonntag erst fährt?  (Meike Büscher)
... das Einzige, was ihr noch bleibt, ist eine kleine Luke, eine kleine Luke, wodurch sie sich aus dem dunklen Zimmerchen in die Außenwelt träumt. (Saskia Amsink)
Vorgestern bin ich gegen einen Baum gelaufen und seitdem denke ich, dass ich in die Zukunft sehen kann.
(Kevin Großmann )
In meinem Herzen ist nur Trauer, doch ich versuche, den Schmerz zu unterdrücken. Sonst würde ich nur weinen. (Bassam Sbeih)

INDIVIDUELLE BESONDERHEIT WIRD
ZUR GEMEINSAMEN STÄRKE
Alfred Büngen

Das Schreiben – und auch das Lesen – begegnet vielen Kindern und Jugendlichen nur noch in der Schule. Die Anzahl der Elternhäuser, in denen regelmäßig vorgelesen und gelesen wird, geht, wie zahlreiche Untersuchungen zeigen, stetig zurück. In der Schule begegnet den jungen Menschen das Schreiben zudem in zunehmendem Maße nur noch als Mittel lernzielorientierter Leistungserfüllung – sachlich, schnörkellos, überprüf- und zensurmäßig messbar. Immer wieder erleben wir Kinder, die in den unteren Schulstufen der Grundschule noch begeistert Geschichten erfinden und aufschreiben, deren Faszination am Schreiben und Erzählen aber spätestens mit dem Eintritt in die Mittelstufe verloren geht. Ja, wir erlebten sogar Eltern, deren Kinder die Schreibwerkstätten in den Grundschulen nicht mehr besuchen durften, da die Eltern empfanden, dass das freie kreative Schreiben die Zielanforderungen des Deutschunterrichts nicht genügend unterstütze.
Wen kann es da verwundern, dass das Schreiben und auch das Lesen für Kinder und Jugendliche inzwischen einen negativen Charakter erhalten haben. Junge Menschen, die auch in ihrer Freizeit schreiben, dürfen sich von Gleichaltrigen und auch Erwachsenen häufig negative Bemerkungen anhören, zumal dann, wenn sie nur für sich schreiben und nicht an der literarischen Karriere basteln. ‚Hast du nichts Besseres zu tun? Du solltest lieber etwas für deine Zukunft tun! Nur Loser schreiben!’, bekommen junge Autoren leider nur zu häufig zu hören.
Offensichtlich ist es so, dass kreatives Schreiben in unserer konsum-event-orientierten Unterhaltungsge-sellschaft keinen Raum mehr hat.
Abseits des literarischen und gesellschaftlichen Main-streams haben wir uns als Verlag das Ziel gesetzt, Jugendlichen im Rahmen von Schreib- und Buchprojekten die Möglichkeit zu geben, über ihr Fühlen und Denken, über ihre Hoffnungen und Wünsche, über ihre Probleme und Ängste zu schreiben. Kinder und Jugendliche sollen dadurch, dass die Themen in ihrem Leben angesiedelt sind, das Schreiben als Reflexion eigener Situation, eigener Emotion erfahren. Schreiben wird so als Element eigener Ausdrucksfindung erlebt, das, gerade dadurch, dass es in Buchform gedruckt und/oder als Text öffentlich vorgetragen wird, somit in ihren Lebensbereich eingebunden ist, auch als Ausgangspunkt von Erfahrung und Veränderung wahrgenommen. Jugendliches Schreiben erreicht Menschen und zwingt die Autoren zur Stellungnahme, zu Positionen. Kreative Schreibprozesse in diesem Sinne ermöglichen daher in erheblichem Umfang zum einen die Aneignung des Schreibens (und des Lesens) als kulturelles Grundmuster zwischenmenschlicher Reflexion und persönlicher Auseinandersetzung, tragen zudem wesentlich zum Erwerb von Identität und sozialer Kompetenz bei.
Gerade dieses Buch der Nordhorner Schreibwerkstatt zeigt mit der Heterogenität seiner Texte, wie unter-schiedlich Jugendliche denken, fühlen und schreiben. Und es ist das Verdienst von Gerhard Butke, den Ju-gendlichen den Raum und die Förderung in dieser Schreibwerkstatt geboten zu haben, dass sich ihr Fühlen und Denken in solche Texte umsetzen konnte. Er hat nicht den Fehler vieler Jugendschreibwerkstätten im Bereich kreatives Schreiben begangen, den Jugendlichen Strukturen zu vermitteln, anhand derer sie schreiben, vielmehr hat er durch Zuhören und gezielte Anstöße darauf geachtet, dass jeder der Teilnehmer seinen eigenen Stil entwickelt und verfeinert, in dem er seine Gefühle und Gedanken ausdrücken kann. Diese Aus-prägung und Akzeptanz der Individualität macht die gemeinsame Stärke dieser Gruppe und dieses Buches aus.
Ich habe die jugendlichen Teilnehmer selbst auf zwei Wochenendworkshops erleben dürfen und war über-rascht, mit welcher Intensität sie ihre Texte geschrie-ben und untereinander besprochen haben. Es war ein besonderes Erleben, wie sie aus sich selbst heraus ihre Texte verfeinerten, merkten, wie es ihnen gelang, ihr Beabsichtigtes noch feinfühliger darzustellen. Und wo entsteht schon eine Anthologie, wo die Jugendlichen ein ganzes Wochenende lang über jeden Text eines Buches sprechen und entscheiden, ob er in ein Buch auf-genommen wird oder nicht?
Und mit dem gegenseitigen Zuhören, der empfindsa-men Kritik untereinander haben die Jugendlichen Texte geschaffen, die besonders sind, inhaltlich und literarisch. Die dramatisch-tragische Erzählweise hat in diesem Buch ebenso ihren Platz gefunden wie das an klassischen Vorbildern orientierte Gedicht, die offene Erzählung steht neben dem modernen Kurzgedicht. Um vielen Rückfragen zuvorzukommen: Nicht alles, was Sie lesen, ist biografisch. Manche Geschehnisse und Themen haben die Jugendlichen gewählt, um an einer Geschichte, an einem Problemzusammenhang ihre Meinung, ihr Fühlen und Denken auszuprobieren. Andere Beiträge wiederum stellen tatsächlich eine Ausei-nandersetzung mit eigenen Lebenserfahrungen dar.
Wir haben den Band gemeinsam mit den Jugendlichen nach Grobthemen gegliedert und diesen die Beiträge jeweils zugeordnet. Dabei war es für alle Teilnehmer spannend zu erleben, dass viele Beiträge von ihnen tatsächlich um ähnliche Grundprobleme kreisten.
Mir bleibt an dieser Stelle nur, den Jugendlichen zu danken für ihre literarische Leistung, für ein Buch, das zu lesen ein Gewinn ist. Der Dank gilt zudem Gerhard Butke, der dies mit seinem menschlichen Umgang auf Augenhöhe ermöglicht hat.