Schmidt-Holländer, Christl: Tagtexte

Autor: 

Christl Schmidt- Holländer

Tagtexte

Geest-Verlag 2009


Nach ihrem erfolgreichen Roman ‚Sechs mal zehn’ (ISBN:
978-3-86685-025-5) legt die Autorin mit ihren Tagtexten ein neues
Manuskript mit literarischen Kurztexten vor, die in der Originalität
der formalen Gestaltung und in ihrer inhaltlichen Aussagekraft als eine
literarische Besonderheit gewertet werden müssen.

Insgesamt teilt sich das Manuskript in drei Kapitel, jeweils Texte
eines spezifischen Zeitabschnitts, in dem die Autorin täglich einen
literarischen Blick auf eine ihr an diesem Tag wesentliche
Problemstellung verfasste.

Es fällt schwer, die Texte einem literarischen Genre zuzuordnen. Für
die Zuordnung zum Bereich Tagebuch ist die literarische Verdichtung zu
hoch, die Einordnung in die Kurzprosa scheint nicht möglich, da den
meisten Beiträgen keine Handlungsorientierung zugrunde liegt. Der
lyrischen Zuordnung entzieht es sich, da die Verdichtung und
Bildlichkeit bewusst niedrig gehalten, regelmäßige formale lyrische
Elemente nicht gewählt wurden.
Somit bleiben die Tagtexte als eigene Kreation einer Kurzprosa,
vielleicht einer lyrischen Kurzprosa, die man als literarischen
Kalender umreißen könnte, die es in den Anfängen der Entwicklung einer
bürgerlichen Literatur gab (Hebbel, Fontane, Heine etc.).

Fast allen Texten liegt die Auseinandersetzung mit einem zentralen
Gedankenmoment zugrunde. Die sprachliche Harmonie, der hohe Sprachfluss
der Beiträge bindet dabei die zumeist kritisch hinterfragende Ebene des
Gedankens ein. Die Bereitschaft der Annahme einer solchen
harmonisierenden kritischen Hinterfragung von Sachverhalten ist beim
Leser hoch, da die Kritik und kritische Reflexion aufgrund der
sprachlichen Bindung niemals in irgendeine Form der Ironie oder Polemik
abrutschen kann. Die Kürze der Beiträge verdichtet das reflektierte
Problem auf seine Wesentlichkeit – was die Nähe zur Lyrik bewirkt.
Das Sprachniveau ist dabei so gehalten, dass bewusst eine schlichte
Wortwahl vorgelegt wurde, die Bildlichkeiten und dargestellten Inhalte
dem direkten Alltag entnommen werden. Die Anbindung des Lesers ist
somit – anders als in einer stärker verdichtenden Lyrik –
unproblematisch. Der Inhalt ist leicht erfassbar und von einer solch
bestechenden Einsichtigkeit, dass er einen nicht wieder loslässt, zumal
die Autorin Problemstellungen aufdeckt, jedoch keine Antworten gibt.

Handgehäkelte Pension                                                   

Wer kann das mögen?
Die Spitzendeckchen –
die Trockenblumen –  all überall –
bunte Gartenzwerge groß und klein!
Solche Gemütlichkeit
nimmt mir die Luft.
Ich will atmen.
Aber hier steht die Häkelfrau.
Erzählt von Krebs,
Tochtergeschwüren und Enkelsorgen.