Aleyna Pamuksuz - Gute Nacht, Hanau (Anirassismusgedicht)

Gute Nacht, Hanau

Augen auf, Augen zu
Wie im Schlaf, deck dich zu
Mama kommt und streichelt dich
„Mein Sohn, bitte friere nicht!“
Papa sagt: „Ist schon gut,
Lass ihn los, er muss ruhn.“
Ist es Nacht? Ist es Zeit?
Gibt‘s einen Grund? Midnight!

Mama weint, das Herz zerbricht
Wieso spüre ich nichts?
Papa stark, kann nicht mehr
Atmen. Leben. Viel zu schwer.
Ist es nicht nur „Gute Nacht“?
Haben wir nicht gelacht?
Warum jetzt? Warum früh?
Seh‘ mein Leben in Revue

Es war Hass, es war Mord
Seht es ein, kommt zu Wort
Mama deckt mich noch zu
Jetzt fühl ich mich schön warm
Kenn den Schmerz, kenn den Fluch
In der Hand hält sie nun,
Leider nicht ihren Sohn:
Es ist ein Leichentuch

Ich weiß, wir sind besser
Ich weiß, wir sind mehr
Wählt die Liebe, nicht das Messer
Lass die Straßen nicht leer
Kommt zu Wort, setzt ‘nen Punkt
Lass es sich nicht wiederholen
Bleibt jetzt stark, bleibt gesund
Lasst die Herzen sich erholen

Aleyna Pamuksuz (20 Jahre)

aus: Punkt. Die 17. Essener Jugendanthologie. Hg. von Artur Nickel. Geest 2021