ANDY WIRSZ, Bittersüße Wirklichkeit

ANDY WIRSZ, FÜRTH
 „Bittersüße Wirklichkeit“

Ich bin ein Mensch mit Behinderung, glaube ich. Davor war ich „behindert“, „gehandicapt“ oder einfach nur „ein Krüppel“. Früher war ich tabu, eine Bürde der Gesellschaft und bemitlei-denswert. Heute werde ich übersehen.
Wir dürfen kein Geld sparen, solange der Staat für uns zahlt. Aber wir sollen ja dankbar dafür sein. In einer Behinderten-werkstatt verdienen wir nicht einmal den Mindestlohn, aber wir sollen froh sein, dass wir etwas zu tun bekommen. Wir dürfen existieren, aber nicht leben.
Wir sollen auf Sonderschulen gehen. Nicht, weil wir beson-ders sind, sondern weil wir ausgesondert werden. Auf dem Arbeitsmarkt werden wir nicht genommen, weil der bürokra-tische Aufwand zu groß ist.
Aber es ist ja nicht alles schlecht. Wir werden auch bewundert, weil wir so viel erreichen, „obwohl wir behindert sind“. Ich bin gerne Inspiration-Porn für euch: „Ich finde es so schön, dass du hier draußen sitzt und einfach Pizza isst.“
„Es ist so cool, dass du auch hier auf der Dating-App bist! Trotzdem swipe ich jetzt nach links.“
„Ich finde es toll, wie du auch Spaß hast und nicht nur zu Hau-se vergammelst und dich selbst bemitleidest!“
Ha, ein bisschen Spaß muss sein! Ich weiß nur nicht, wie lange ich es witzig finde …