Anne Koch-Gosejacob: Der Fluch der Tochter des Schmieds geht heute in den Druck der vierten Auflage

coverderfluch.jpg

 

Koch-Gosejacob, Anne,

Der Fluch der Tochter des Schmieds.

Historischer Roman.

Geest-Verlag, Vechta-Langförden, 2008

ISBN 978-3-86685-113-9

12,50 Euro

 


Osnabrück, zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Die Bevölkerung leidet, was der machthungrige Bürgermeister Peltzer
ausnutzt, um sich durch die Verfolgung von Hexen als starker Mann zu
präsentieren. Währenddessen wächst die schöne Schmiedetochter Greta
wohlbehütet auf und verliebt sich in einen Rittmeister der schwedischen
Besatzungsmacht. Ihre Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Aus Eifersucht
verleumdet ihre beste Freundin Ludeke sie als Hexe.
Gretas Leidensweg beginnt, doch ihre Rache ist schrecklich. Nach ihrem
Tod, aus dem Zwischenreich heraus, holt sie sich daraufhin jeden
männ-lichen Nachkommen Peltzers. Bis zur Geburt des kleinen Daniels ...
Voller Sorge um ihren Enkel erforscht Marie nun anhand von
Aufzeichnungen der Ahnen die gewaltsamen Tode innerhalb der Familie
und kommt zu einer ungewöhnlichen Lösung.
.
Eine spannende Familiensaga vom späten Mittelalter bis in die Neuzeit


 

Hochzeit

Osnabrück,
1619. Breitbeinig stand Johann Husmann in der großen Diele seines
schmucken Fachwerkhauses, reckte den Kopf nach oben und betrachtete
gedanken­verloren die neue Eichenholztreppe, die zu den Schlaf­räumen
führte.

„Was
stehst du da und starrst Löcher in die Luft? Geh' lieber rüber zu den
Nachbarn und hilf ihnen Tische und Stühle zu uns reinzutragen.
Schließlich ist es deine Hochzeit, die ich ausrichten muss."

„Ich
mach schon, Mutter!" Johann schnitt eine Grimasse und dachte: ,Morgen
kann ich endlich meine Braut in den Arm nehmen und küssen.' Bei dem
Gedanken daran wurde er rot, drehte sich um und eilte zur weit
offen­stehenden Dielentür hinaus, um endlich den Nachbarn bei den
Vorbereitungen zu helfen. Blindlings überquerte er die Straße und stieß
dabei mit Schulten Trine zusammen, die auf dem Weg zum Apotheker war.

„Tölpel!
Habt Ihr keine Augen im Kopf?" Laut schimp­fend rappelte sich die Alte
wieder auf die Beine und mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich
den Hintern.

„Bitte
entschuldigt." Eilig bückte sich Johann, sammelte die verstreut
herumliegenden Kräuter wieder in den kleinen Weidenkorb und reichte ihn
der Alten. Die riss ihn an sich, als wären lauter Goldstücke darin.

„Ich nehm Euch schon nichts weg", sagte Johann beruhi­gend.

Mit
durchdringendem Blick sah ihn die Alte an und raunte: „Ihr werdet es
noch schwer haben im Leben, denn Euch wird etwas genommen."

„Unsinn, ich bekomme etwas. Morgen heirate ich die Gertraud Tängemann."

„Dann gebt auf Euch Acht." Mahnend erhob die Alte den Zeigefinger und vor sich hin murmelnd verschwand sie in Richtung Marktplatz.

Gertraud
Tängemann war die Tochter des reichen Krämers aus der Bierstraße, der
mit Stoffen aus aller Herren Länder handelte, einmal im Jahr sogar auf
einem Schoner nach Indien segelte um dort neuartige Gewürze
einzukaufen. Dem Apotheker am Markt brachte er immer eine Kiste von den
aromatischen, holzähnlichen Zimtstan­gen mit, die gemahlen bei Husten
und Heiserkeit helfen sollten, sowie etliche kleine Holzfässer mit
dottergelben Safran zum Färben von Speisen und Kuchen.

Die neunzehnjährige Gertraud
half dem Vater liebend gerne im Kontor, konnte sie doch hier an den
vielen, ihr oft unbekannten würzigen Proben riechen, die auslän­dische
Geschäftsleute dem Vater zukommen ließen. In letzter Zeit hatte sie
aber mehr der Mutter zur Hand gehen müssen, um die vielen hausfraulichen Tätigkeiten zu erlernen.

Gertraud
war eine gute Partie, ihre Aussteuer konnte sich sehen lassen. Außerdem
war sie hübsch. Die langen weizenblonden Haare trug sie zu einem
lockeren Knoten aufgesteckt.

Lesen,
Schreiben und sogar Rechnen hatte ihr der Haus­lehrer Jonathan Mausbock
beigebracht, was sich für Johann als sehr vorteilhaft erwies, denn die
junge Frau konnte ihm nun die Buchführung der Schmiede abneh­men und
auch die anfallenden Rechnungen ausstellen.

Johanns
Vater Ewald - Gott hab ihn selig - war vor einem halben Jahr gestorben.
Kurz vorher hatte er noch den Ehevertrag mit dem alten Tängemann, mit
dem er seit Jahren befreundet war, ausgehandelt. Denn er hatte gemeint:
„Gertraud ist genau die Richtige für un­seren Johann!"

Nachdem
sich die jungen Leute ein paar Mal in Gegenwart ihrer Eltern getroffen
hatten, fand Gertraud Gefallen an dem kräftigen Mann, der ihr
zu recht als gutmütig,
rechtschaffen und fleißig angepriesen worden war. Verlegen hatte Johann
dagesessen und auf seine großen, schwieligen Hände gestarrt, sich
vorgestellt, wie es sein würde, seine Braut zu streicheln.

Am
Hochzeitsmorgen erhob sich Johann frühzeitig, öff­nete das Fenster,
stieß die grünen Holzklappen, die zur Verdunkelung von außen angebracht
waren, weit auf und warf einen Blick
nach draußen. Rötlich schimmerte die aufgehende Sonne hinter der
dicken, mit Moos be­wachsenen Stadtmauer hervor und ließ einen schönen
Tag erahnen. Genießerisch sog er die kühle Morgenluft ein, strich sich
kurz durchs struppige Haar, drehte sich um, nahm seine graue
Arbeitshose vom Schemel und zog sie an. Pfeifend verließ er den
Schlafraum und schritt die Treppe hinunter.

Auf
der Diele begrüßten ihn fröhlich zwitschernd einige Schwalben. Sie
flogen durch die offenstehende Klappe der Dielentür ein und aus, um
ihre Jungvögel in den Nestern oben am dicken Querbalken des Dachbodens zu füttern.

Johann
wandte sich zum anderen Ende der Diele, öffnete die schmale, vom Rauch
geschwärzte Hintertür, lief über die ausgewetzten Stufen nach unten und
mar­schierte gut gelaunt über den sauber abgefegten Hof zum Stall. Die
schwarzbunte Kuh und das Pferd beka­men eine Mistgabel frisches Heu
vorgelegt, die beiden Schweine einen Eimer kleingeschnittener Rüben und
Wasser, in das er etwas Mehl einrührte.

Auf
dem Rückweg sah er, dass der Hahn mit seinen bunten, sichelförmig
herunterhängenden Schwanzfe­dern wie ein Pascha zwischen den Hühnern
herumlief, welche schon wieder eifrig in den Gemüsebeeten seiner Mutter
scharrten und kratzten.

„Blöde Viecher, verschwindet!" Kräftig klatschte er ein paar Mal in die Hände, und
laut gackernd stob das freche Federvieh auseinander. Johann nahm sich
fest vor, in der nächsten Woche einen Verschlag zu bauen oder wenigstens
den Garten einzuzäunen. Er wollte end­lich Ruhe vor seiner Mutter
haben, vor ihrem ewigen Gezeter wegen der frei herumlaufenden Hühner.

Zwei
Stufen auf einmal nehmend, sprang er die Treppe hoch, lief in die Diele
und holte sich aus der schweren Wäschetruhe ein sauberes Leinentuch.
Draußen schöpf­te er mit dem alten Ledereimer, der immer am Haken unter
der Treppe hing, Wasser aus der dicken Regen­tonne und goss es sich
prustend über den Kopf. An­schließend rubbelte er seine störrischen
roten Haare trocken und versuchte sie mit dem grobgezinkten Kamm zu
bändigen.

„Guten
Morgen, Johann!" Im Festtagskleid stand Mut­ter Frieda oben in der Tür,
hob den Kopf und schaute prüfend zum blauen Spätsommerhimmel. „Nicht
eine Wolke zu sehen. Wird warm heute. Das richtige Hoch­zeitswetter!"

„Ja,
Mutter! Ein Glück, dass ich auf Euch gehört habe und mir der Schneider
Hose und Jacke aus dem leichten grauen Baumwolltuch genäht hat."
Dankbar nickte er ihr zu. Dann bückte er sich, ergriff den Ledereimer
und hing ihn wieder unter die Treppe, schnappte sich im Vorbeigehen das
feuchte Handtuch, klemmte es sich unter den Arm und stieg die Stufen
hoch. Er zwängte sich an seiner Mutter vorbei, lief zur Schlafkammer
und zog sich die Hochzeitskleidung an.

Als er hinunterkam, stellte die Mutter ihm einen Becher frische, warme Milch, die sie in der Frühe gemolken hatte,
auf den sauber gescheuerten Eichentisch und legte einen großen Kanten
Schwarzbrot dazu, dick mit Butter bestrichen. Johann setzte sich auf
die Bank, nahm das Brot und biss kraftvoll hinein.

Wohlwollend
betrachtete Frieda ihren Sohn. Sechsund­zwanzig Jahre alt war er jetzt,
hatte viel Ähnlichkeit mit seinem Vater. Sie liebten die gleichen
deftigen Witze und verstanden es zuzupacken.

,Hoffentlich zeigt sich die Schwiegertochter anstellig, damit ich gut mit ihr auskomme', dachte Frieda.