Antonia Wengert - Eine ungewöhnliche Verbindung

Eine ungewöhnliche Verbindung
Antonia Wengert

Neustart: Neuer Ort; Neue Arbeit; Neue Wohnung; Neue Freunde; Neue Umgebung.
Alles auf null, alles auf Anfang
So beginnen Abenteuer …

Mein Handy klingelt, WhatsApp …  ich bin noch ziem-lich müde. Es ist Feiertag, ein sonniger dritter Oktober. Aber dann bin ich doch hellwach. Ich lese und lese deine Nachricht immer wieder. Um sicherzugehen lieber noch einmal. Der Text ändert sich nicht, er ist eindeutig, wie in Stein gemeißelt jeder einzelne Buchstabe, und dennoch kommt es in meinem Kopf nicht richtig an.

Acht Monate waren vergangen …
Acht Monate, in denen wir jeden Tag etwas zusam-men machten, schrieben, rausgingen und die halbe Nacht im Auto verbrachten. So viele Geschichten, Bilder, Gedanken, die von meinem in deinen Kopf wanderten und umgekehrt. Oft brauchte es gar keine Worte.
Aber uns trennen Welten – Welten in der Kultur – in der Religion – im Alter – und darin, wo wir im Leben stehen. Zu viel für die Gesellschaft – die Freunde – sicher auch die Familie – wahrscheinlich für alle.

Für alle, die nicht wir sind –
Deine Nachricht ist so eindeutig, ich bin perplex, im-mer noch. Und du, so mutig, so mutig auszusprechen, was ich niemals gesagt hätte.
Warum? Wahrscheinlich, weil ich es für unmöglich halte, dass du das Gleiche empfindest, wie ich es schon eine Zeit lang tue. In ein paar Tagen kommst du zurück, und was antworte ich dir dann? Ich habe keine Ahnung. Wobei doch, das habe ich, aber ich bin auch unsicher.
Unsicher, ob das alles jemals eine Chance hat – eine Chance in dieser Gesellschaft – dieser Umgebung – dieser Zeit –

Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, so heißt es doch, oder? Zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein könnten und deren Inneres doch so ähnlich ist.
Lachen, bis alle Muskeln schmerzen – Runterkom-men, bis auch die letzte Zelle in mir Ruhe findet – Meinen Kopf ausschalten, um mich eine Zeit lang mit dir zu verlieren und alles um mich herum zu vergessen – Das schaffst nur du.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt … Und wer wagt, kann der nicht auch alles verlieren?

Meine Augenfarbe grün, deine braun, ja, du weißt, es wird schwer, doch du kannst mir vertrauen …

Kälte in meinen Knochen – Müdigkeit, die meine Augen kaum noch offen hält – Hunger, der sich in meinem Magen breitmacht und dennoch hat der Tag zu wenige Stunden, um auch nur eine davon nicht mit dir zu verbringen. Es fühlt sich gut an, besser als alles andere zuvor.
Meine Augenfarbe grün, deine braun, ja, du weißt, es wird schwer, doch du sollst mir vertrauen …

Ich schieße ein Foto, ein Foto von dir und dem Nachthimmel, an dem der Mond und nur ein kleiner Stern zu sehen sind. Eine ungewöhnliche Verbin-dung, so wie unsere.
An jedem nun kommenden Abend sehen wir die bei-den. Und der Stern, er wandert weiter, bis er die viel größere Mondsichel überholt hat. Auf einmal wirkt das Bild verzerrt, wie aus dem Gleichgewicht. Es bleibt in meinem Kopf, auf meinem Handy und löst ein ungutes Gefühl in mir aus. Ist es ein Vorbote auf etwas?
Vielleicht, denn wenige Tage später hat sich etwas verändert, etwas in deinem Blick ist verschwunden. Ich merke, dass du mit etwas kämpfst, dass wir uns verlieren und gleichzeitig weiß ich, dass ich nichts dagegen tun kann. Du hast eine Entscheidung getrof-fen, für dich. Warum, das weiß ich nicht. Und dann funktionieren wir nicht mehr. Das Uhrwerk, dessen Zahnräder so gut ineinandergriffen, es läuft nicht mehr. Der Druck von innen und außen, er wurde zu groß. So wie der kleine Stern am Nachthimmel ver-suchte, den großen Mond zu überholen, so versuch-ten wir das Gleiche und konnten nur scheitern.

Meine Augenfarbe grün, deine braun, ja, du weißt, es wird schwer, doch du musst mir vertrauen …
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt … Und wer wagt, kann der nicht auch alles verlieren? Die Antwort ist simpel: Ja, er kann. Hätten wir gewinnen können? Diese Antwort ist ebenso simpel: Nein. Einzig die Höhe des Verlustes konnten wir bestimmen. Und hätte ich deshalb anders entschieden? Nein.

Kein weiterer Schlag, keine weitere Sekunde, keine weiteren Momente für Erinnerungen, die Zeiger ste-hen still. Unsere Zeit … abgelaufen.

Meine Augenfarbe grün, deine braun …

Neustart:
Alles auf null, alles auf Anfang.
So beginnen Abenteuer …