Aus dem Damals für das Heute lernen. Vorwort vom Landrat des Landkreises Osnabrück, Dr. Michael Lübbersmann, über die Bedeutung der Lesebücher ‚Fremde Zeit – unsere Zeit‘ von Dr. Volker Issmer

Aus dem Damals für das Heute lernen

Über die Bedeutung der Lesebücher

‚Fremde Zeit – unsere Zeit‘ von Dr. Volker Issmer

 

Das nunmehr dritte Lesebuch Volker Issmers zur Thematik ‚Fremde Zeit – Unsere Zeit‘ rundet eine Erzählsammlung mit fiktiven Geschichten zum National­sozialismus, die auf der Basis des realen Historischen geschrieben sind, ab. Kaum jemand anderes kennt nationalsozialistisches Geschehen im Raum Osnabrück so genau wie der Osnabrücker Historiker und ehema­lige Lehrer, der sich in seinen vielfältigen Forschungs­arbeiten mit Menschen, Orten und Verläufen natio­nalsozialistischer Entwicklung auseinandersetzte. Eine Vielzahl von Bürgern dieser Stadt erzählte ihm Geschichten, übergab ihm Unterlagen etc., die allesamt aufzuarbeiten die Kraft eines Einzelnen übersteigen würden. Die fortschreitende Zeit, der Tod der meisten Zeitzeugen machte zudem ein Umdenken in der Aus­einandersetzung auch für Volker Issmer notwendig. Die dokumentarische Arbeit musste ergänzt werden durch die fiktionale literarische Arbeit, die es insbesondere auch den jüngeren Generationen möglich macht, das Geschehen der damals agierenden Menschen zu ver­stehen, es nachvollziehbar macht.

Issmer ist es mit seinen drei Bänden gelungen, das Handeln unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen im Nationalsozialismus zu verdeutlichen. Ob Kind, Pfarrer, Parteigänger, Widerständler, ob Frau, ob Kon­zentrationslagerhäftling, Kriegsgefangener, Geistlicher, ob Bauer oder Beamter, ob Täter oder Opfer – der Autor taucht in die Figuren hinein, setzt sich mit ihnen und ihrem Handeln auseinander und macht uns die Verwicklungen des jeweils Agierenden in die Strukturen der nationalsozialistischen Gesellschaft deutlich. Er verfällt dabei niemals dem Fehler der Schwarz-Weiß-Malerei, verdeutlicht vielmehr immer wieder das Ver­fangensein der Menschen in den Strukturen von Gewalt und Unrecht.

Die drei Lesebücher Issmers bieten allen, die sich heute mit dieser totalitären Phase der deutschen Gesellschaft auseinandersetzen wollen, einen wohl einzigartigen Überblick über Einstellungen und Handlungen der Menschen in einem regionalen Raum. Gerade jungen Menschen kann auf diese Weise erfahrbar gemacht werden, warum Menschen so und nicht anders gehan­delt haben, warum sie nicht in der Breite Widerspruch ausgeübt und sich dem System entsagt haben. Issmer klagt nicht an, verdeutlicht vielmehr in der literarischen Skizzierung von Geschehen und Personen die Hand­lungsgründe. Er verurteilt nicht von außen mit dem moralischen Zeigefinger, sondern er zeigt Geschehen, das auf die Beurteilung durch den Leser wartet.

Die augenblickliche gesellschaftliche Entwicklung mit dem Anstieg der Stimmen für rechtsextreme Parteien und Haltungen, die Infragestellung demokratischer Grundprinzipien in dieser Gesellschaft macht gerade die Auseinandersetzung mit den Gründen der Entwicklung des Nationalsozialismus und der Verstrickung des Einzelnen in dieses System besonders notwendig. Nicht nur der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker machte unter anderem in seiner Rede am 8. Mai 1985 im deutschen Bundestag auf die Not­wendigkeit der Beschäftigung mit diesem Abschnitt der deutschen Geschichte aufmerksam. Nur wer sich mit der Geschichte auseinandersetzt, wird die eigene Zukunft verantwortlich gestalten können. Der zu be­obachtende Verlust historischen Bewusstseins scheint größer zu sein, als viele Verantwortliche in Politik, Wirtschaft, Kultur und Pädagogik dachten. Augen­blickliche politische Verläufe und Diskussionen zeigen Entwicklungen und Argumente, die schon längst überwunden schienen.

Es ist das große Verdienst von Dr. Volker Issmer, uns mit diesem dritten Lesebuch-Band über die Zeit des Na­tionalsozialismus Geschichten in die Hand zu geben, die mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ein Gespräch über damalige und heutige Entwicklungen möglich machen. Dafür gebührt ihm ein herzlicher Dank.

 

 

Landrat des Landkreises Osnabrück

Dr. Michael Lübbersmann