Begeisterte Rezension zu Anja Gumprecht/Anne Vockeroth: An der Leine

Gumprecht, Anja (Text) | Vockeroth, Anne (Bild)
An der Leine
Geest-Verlag 2017, 42 Seiten
Mit Anja Gumprecht als Heilpädagogin und Kunstwissenschaftlerin sowie Anne Vockeroth als Ergotherapeutin und Malerin haben zwei Autorinnen, die nicht nur berufsverwandt, sondern durch eigene Erfahrungen mit den Krebserkrankungen ihrer Töchter prädestiniert sind, ein außerordentlich wertvolles, hilfreiches, fesselndes, kurz: wunderbares Bilderbuch geschaffen. Das Buch ist gleichwohl für Kinder als auch Erwachsene geeignet, da sie der schwer erkrankten Lina das Wort erteilen und sie ihre Geschichte selbst vorstellen lassen.
Duktus und klare ausdrucksvolle Zeichnungen zu den un¬befangen, pragmatisch und aus dem absolut im Hier und Jetzt erzählten Episoden aus Sicht der Fünfjährigen erlauben dem Leser in anrührender, aber stets achtungsvoller und respektvoller Weise, sich anzunähern an das Thema und Abstand zu nehmen von eher hemmenden Vorbehalten aus Scheu, hilflosem, sorgenvollem Respekt und/oder verunsicherndem Mitleid.
In 11 Episoden von „Rapunzelina", über den „Glatzenkuß", bis zur „Nachtwanderung" in der Klinik erzählt Lina von ihrem ureigenen, persönlichen, ihre Familie und Umfeld mitunter überraschend sachlichen, bisweilen sogar heiteren Umgang bezüglich der Begleitumstände der schweren Erkrankung, von den Folgen der Chemotherapie bis zu den Klinikaufenthalten und Notfallsituationen: von ihrem Leben „an der Leine": „manchmal fühle ich mich wie ein Hund..., wenn ich in der Tagesklinik angeleint werde... an Infusionsschläuche und Elektrokabel", wie sie, ebenso angeleint, Dreirad fährt und Freundschaften schließt, ihr sich notgedrungen stetig erweiterndes Wissen, ihr Bewusstsein, vor allem ihr facettenreiches Erleben mit all seinen Unwäg-barkeiten, aber auch den beglückenden Momenten weitergibt und damit ihr soziales Umfeld teilhaben lässt, von den neuen Kindern auf der Station über ihre Angehörigen bis hin zu uns, die wir uns diese Gelegenheit keinesfalls entgehen lassen sollten.
Wie ist es, ein Leben an der Leine einer schweren Erkrankung?
Für das Kind, die Eltern, die Geschwister, die Umgebung? „An der Leine" ist für alle Altersgruppen prädestiniert, um Sprachlosigkeit, Vermeidungshaltung und Unsicherheiten dieses Themas empathisch abzubauen zugunsten einer teilhabenden Begleitung.
Dank an die Autorinnen!
Gabriela Zenker
aus der Fachzeitschrift des Bundesverbandes der Heilpädagogen