Buch-Tipp

Seray Artuc, Ida Bergen u. a.: Wasser auf der dritten Stufe

- Jugendliche schreiben in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück -

und setzten sich mit den jeweiligen Biografien von Tätern und Opfern auseinander, die jeder auf seine Weise interpretierte.

Entstanden sind Texte, die das eigene Denken und Fühlen, und das der Lager-Insassen widerspiegeln, die während der Nazi-Diktatur des Dritten Reiches so unsagbares Leid erfahren mussten. Aber auch derjenigen, die ihnen das auf unmenschliche Weise antaten; mit einer Lust und Freude am Quälen, Erniedrigen und Morden, die immer wieder sprachlos macht. Und eben diese eigentliche Sprachlosigkeit mit unglaublicher Intensität in Worte zu fassen, ist große Kunst.

Seray Arduc: Bleibe nicht

Versteht mich die Welt noch oder sind meine Schreie zu laut.

Meine Bilder in Wörter zu schreiben ist eigentlich nicht so schwer, aber der Stift fällt mir immer aus der ...

Luisa Krieger: Eingedrückt

Meine Füße zählen Stolpersteine und Kopfsteinpflaster und vergessen die Zahl, bevor das Wasser sie aus meinen Gedanken spült.

Der Wind schreit schweigend die Bäume an, die weinend sterben, und ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Hinter dem Zaun hat die Leere nicht genügend Platz und die panische Angst lässt mich stehen bleiben. Schlagartig wird mir bewusst, dass nur noch eure Asche mit den Vögeln fliegt, um ein letztes Mal die Sonne zu sehen. Für immer.

Sophie Ouro-Gandi: totlachen

Ein stark bekleideter Mann

vor einem stark schmal-engen Gang.

Von Mundwinkeln nach unten, konzentriertem Blick,

tendierend schnell zu einem Lächeln im Gesicht.

Kein Wimpernzucken, kein Augenblinzeln,

mit jedem Schuss wächst sein Grinsen.

Emma Lüers: Steinwege

Durch die Mauer zieht ein Riss. Ein Kreis, langsam stapeln sich Dreiecke, die Welt wird schwer. Nicht genug sind die stummen Lippen, aber zu viel die ganzen Worte, die gesagt werden könnten. Mittlerweile greifen doch bloß Blätter und kein Stacheldraht in die Füße, die sich auf dem Weg verlieren. Der Herbst will seine Farben gelesen sehen, aber vielleicht sollte er es hier lassen, eine Welt könnte sonst vergessen, wie Feuer schmeckt.

Ein wichtiges Projekt und ein nachdenkliches Buch gegen das Vergessen, gegen Rassismus und Hass, der sich in unserer demokratischen Gesellschaft ausgebreitet hat.

Herausgegeben von Olaf Bröcker und Alfred Büngen, ist „Wasser auf der dritten Stufe“ im Geest-Verlag erschienen. 139 Seiten, mit Illustrationen von Emma Lüers, 10 Euro.

Heike Avsar

www.spandau4u.de