Clara Luise von Neuhoff - Punktlos

Punktlos

Aufwachen, aufstehen, wieder hinlegen.
Gestern ist morgen und morgen ist heute.
Jeder Tag ist gleich, und doch überwältigt mich
die Welle von Verzweiflung jeden Tag aufs Neue,
wenn sie über meine kleine Existenz rollt.
Alles anders als normal, und doch hält die gleiche
Unsicherheit wie vor einem Jahr noch immer an.
Die goldenen Jahre, haben sie gesagt,
die beste Zeit deines Lebens, haben sie gesagt.
Aber warum ist dann jeder Tag in einem anderen
Grauton und etwas, von dem man
gleichzeitig zu viel, aber doch nie genug hat?

Beschäftigung, schnell und am besten so viel, dass
die Probleme, die nicht kleiner werden,
so weit abdriften, dass sie erst wiederkommen,
wenn alles ruhig wird.
Die Welt durch einen Bildschirm,
Millionen von perfekten kleinen Blasen,
die eine noch größere Leere hinterlassen.
Selbstzweifel, die einen so tief in sich verschlucken, dass
ein Weg heraus unmöglich scheint.    
Nicht nur allein zu sein, sondern auch das Gefühl
zu haben, allein zu sein. Und am Ende des Tages
die Frage, was der Punkt ist, um noch weiterzumachen.
Und trotz dem die niemals erloschene, zu große
Neugier, ihn noch finden zu können.

Clara Luise von Neuhoff (16 Jahre)