Cordula Scheel - Schritte

Cordula Scheel

Schritte

Noch lange nicht angekommen
habe ich nichts bewegt
als sei die Welt in Ordnung
Vögel zeichnen Spuren voraus
dicht über der Oberfläche
der Schwerkraft verhaftet

Erinnerungen langer Tage
gegen den Verdacht
das Leben sei sinnlos
Düfte der Kindheit
der Teergeruch am Bootssteg
im Gutspark am See
ruft Blumen und Tiere auf
vergessene Götter mit Hundeohren

Grillen vermessen den Tag
als wir aufsteigen zum Museum
in den Bergen über Nizza
um Picasso zu sehen
Mirós Sonne und Mond am Wasser
Calders Mobile im Wind

Zu dicht am Abgrund die Linie
zwischen Traum und Wachen
habe ich mich verloren
die Flut des Dunklen steigt
die Nacht ohne Horizont
auf der Oberfläche des Sees
durchschaut vom Mond
schwimmen Schatten
       
„Beim Glockenschlag hab‘ acht auf dich“
so geht das alte Wächterlied
ich hab‘ die Worte nicht bedacht
verirrt im Glockenklang
verlor ich mich
im transparenten Wasser fast versunken

Nun habe ich weit zu gehen
folge den Spuren in den Lüften
und bin doch ohne das Geheimnis
der Zugvogelschwärme




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* Lope de Vega „Wächterlied“
„Wenn du die Glocken läutest,
 denk  an mich, hab acht auf dich.
 Beim Wachen hier verlor ich mich.“