In der Autorenkorrektur - Jenny Schon - endlich sterblich

Jenny Schon
endlich sterblich
gedichte
Geest-Verlag 2015

ISBN 978-3-86685-553-3
185 S., zahlreiche Farbbilder,

13.00 Euro

 

Von der Kürze des Lebens

– de brevitate vitae[i]

 

Bevor der Tag zur Neige geht,

pflücke ihn, carpe diem,

sagten die Lateiner und genossen,

wie meine rheinischen Vorfahren auch,

während lebensfeindliche

Einstellungen auf ein

Paradies im Jenseits hoffen …

 

In meinen Gedichten kommen Formen

der Dies- und Jenseitigkeit vor,

gewidmet habe ich sie aber

den Lebensbejahenden.

 

 

Jenny Schon

 


[i] Das Zitat De brevitate vitae – Von der Kürze des Lebens ist der Titel von Seneca Das zehnte Buch in seinen Dialogen.

Darin der berühmte Aphorismus des griechischen Arztes Hippokrates Vita brevis, ars longa.

Auch Goethe verwendet den Spruch im Faust. Wagner sagt in der ersten Szene (‚Nacht‘) zu Faust: „Ach Gott, die Kunst ist lang, und kurz ist unser Leben.“ Aber dann setzt er fort: „Mir wird bei meinem kritischen Bestreben doch oft um Kopf und Busen bang. Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, durch die man zu den Quellen steigt, und eh man nur den halben Weg erreicht, muss wohl ein armer Teufel sterben.“ Da hat ‚lang‘ den Sinn, dass es lange Zeit braucht, das Werk zu vollbringen, längere Zeit, als einer lebt, und ‚ars‘ versteht Goethe offenbar als ‚die Kunst‘, ‚das Können‘ oder ‚das Ge­konnte‘.