In der letzten Lektoratsphase: Ida Benders großer biographischer Roman über das Leben der Russlanddeutschen

In der Lektoratsarbeit befindet sich der fast 600seitige biographische
Roman von Ida Bender 'Schön ist die Jugend', der umfassend das Leben
der Russlanddeutschen über mehrere Generationen dokumentiert.Schier unfassbar ist, was uns dort an Leid und verfolgung begegnet, mit welcher Selbstaufopferung auch für andere viele dort überlebt haben. Der Versuch zu überleben hatte viele Züge, unter anderem auch literarische.

Hier ein kleiner Leseausschnitt:

Im März 1893 kam die siebente Tochter zur Welt, die Elisabeth und Georg auf den schönen Namen Emilia taufen ließen.
Zu
dieser Zeit war die älteste Tochter Anna-Maria schon ein
heirats-fähiges Mädchen und die Väter der heiratsfähigen Burschen des
Dor-fes machten ihre Söhne auf sie aufmerksam: „Das wäre eine Braut für
dich: aus guter Familie, stark gebaut, fleißig, steht in allen
Bauernar-beiten ihrem Vater bei“. Elisabeth erzog ihre Töchter zu
Bescheiden-heit und Fleiß. Viel Freizeit hatten sie nicht. Doch an den
langen Win-terabenden versammelten sich die Mädchen mit ihren
Strickarbeiten bei der einen oder anderen Freundin. Die Burschen kamen
hin, erzähl-ten Märchen, heitere Geschichten, Witze. Man sang
Volkslieder. Manchmal, an Feiertagen, wenn es Sünde war zu arbeiten,
ging es lustig zu, wurde getanzt.
Doch lange durften die jungen Leute nicht bleiben. Am nächsten Morgen
hieß es früh aufstehen. Gingen die Burschen nicht rechtzeitig, kam der
Vater aus seiner Stube und sagte: „Buben, wenn ihr fortgeht, vergesst
nicht unser Hoftürchen gut zuzumachen“. Das genügte, man wusste, dass
es Zeit war, nach Hause zu gehen. Mancher Vater sagte: „Buben, tragt
mal schnell eure Kappen nach Hause, dann könnt ihr wieder kommen“.
Manchmal versammelten sich die ledigen Mädchen bei einer Freun-din und
spielten Wahrsagen. Still musste es sein in der Stube, alle saßen um
den Tisch, der ohne Metallnägel gezimmert sein musste, legten beide
Hände auf die Tischplatte und eine fragte: „Tischchen, Tischchen, sag
uns wahr: wird der Hannes die Malchen freien? Ja?“ Das Tischchen hob
eine Ecke und stampfte laut mit dem Tischbein auf den Fußboden.
Heiterkeit. Die Betroffene errötete: „Ihr da, hebt selber das
Tischchen! Ich spiel so nicht mit!“ Alle verneinen: „Guck doch unsere
Hände liegen ruhig auf dem Tisch. Frag selber“. Und sie fragt: „In
wieviel Tagen kommen die Freiersleute?“ Tuck, tuck, tuck! Alle lachten.