Die Berliner Literaturkritik schreibt zu Jenny Schons Buch 'Wie Männer mich lehrten die Bombe zu halten und ich sie fallen ließ'

Zur Situation der Frauen

Gleich zwei Neuerscheinungen von Jenny Schon

© Die Berliner Literaturkritik, 26.02.10

Von Anna Gerstlacher

Verstörend sind die Titelseiten beider Bücher: Auf
der einen der Plastikfuß einer Puppe im vertrockneten Gras, auf der
anderen ein zersplitterter Baumstamm, der entfernt an einen zerfetzten
Männerkörper erinnert. Auffallend, aber nicht unbedingt werbeträchtig,
den in den Büchern behandelten Themen jedoch durchaus angemessen.

In dem schmalen Gedichtband mit dem sperrigen Titel
„Wie Männer mich lehrten die Bombe zu halten und ich sie fallen ließ“
widmet sich die Autorin in mehreren Gedichten Steinen. Es geht nicht um
gewöhnliche Steine, sondern um jene, mit denen nach den Gesetzen der
Scharia auf Frauen geworfen wird. Glasklar und unbeirrt hebt Jenny Schon
den Schleier der Verblendung und sieht die Freiheit, eine Freiheit
„über sechs Kinder und eine Wäschetruhe. Einkaufen tut der Mann“. In
ihrer prägnanten Lyrik spannt sie den Bogen von Berlin-Kreuzberg über
den Bosporus, in den Orient, wo „Frauen nicht alleine auf die Straße,
nicht lesen, nicht schreiben, nicht leben“ dürfen. Die Autorin wagt sich
hinaus in die Welt, im Schlepptau die iranische Neda, die türkische
Sürreya, die österreichischen Töchter von Fritzl, die Frauen in
Palästina Dabei durchläuft sie ferne weite Wüsten, um dann schließlich
durch enge Gassen bei sich selbst in Berlin anzukommen.

Der Sprachlosigkeit
dieser Frauen, deren Überforderung, Einsamkeit und Missverständnisse
stellt Jenny Schon die Agitprop der Studentenbewegung der 60er Jahre,
das nachfolgende „make love not war“ gegenüber und prangert sie an:
„schweig über den klau meiner wörter – du griffst auch meine vielfalt –
einfältiger du – ich lass dir die – lüge von der dreifaltigkeit“.

Ein weiteres Thema ihrer lyrischen Beobachtungen ist
der 9. November 1918, 1938 und 1945 („Eine deutsche Zählung“);
überraschender- und interessanterweise nicht den 9. November 1989. Doch
bereits in der Einleitung bekennt Jenny Schon, dass der Fall der Mauer
in Berlin für sie weniger Bedeutung hatte als die Verhängung der Fatwa
gegen Salman Rushdie im 20. Jahrhundert.

 

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