Druck und Sortung der zweiten Auflage: So bleibt mir nur die Hoffnung: Roman über das Leben von Jugendlichen im Nationalsozialismus


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So bleibt mir nur die Hoffnung: Roman über das Leben von Jugendlichen im NationalsozialismusHerausgeber: Olaf Bröcker
Autoren: Lukas Bert, Phillip Bert,
Frederik Bösing ... et. al.

Format: Broschiert
Seitenzahl: 516 Seiten
Verlag: Geest-Verlag
Auflage: Auflage: 1 (2016)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3866855502

Altersempfehlung: ab 14 Jahre

 

 

 


Inhalt:

Zwei Jahre lang forschten, überlegten, schrieben, erlebten 20 Schüler und Schülerinnen unter Anleitung von Olaf Bröcker in diesem Projekt. Jede Schülerin und jeder Schüler übernahm dabei die Rolle einer oder eines Jugendlichen zur Zeit des Nationalsozialismus, im Rahmen einer fiktiven Gymnasialklasse.

Mit der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 und seinen dämonischen nationalsozialistischen Ideologien ändert sich alles bisher Erlernte und Vertraute. Von einem Tag auf den anderen ziehen nicht nur Hakenkreuz, Führergruß und Rassenkunde sondern auch Propaganda und Hass, aber auch Begeisterung und Angst in den Schulalltag ein. Aus Freundschaft wird plötzlich Feindschaft ...

Mit Oberstudienrat Keuler, dem neuen Lehrer und überzeugten Nazi, weht nun ein anderer Wind als bisher. Absoluter Gehorsam, nationalsozialistische Erziehung und von Beginn an klargestellt, dass die arische Rasse allen anderen überlegen sei, Juden und Schwarze minderwertig sind und Behinderte keine Daseinsberechtigung haben.

Als anhand mathematischer Beispiele durchgenommen wird, wie viel Geld Behinderte den Staat kosten und dass das künftig vermieden werden könnte, ist der Großteil der Klasse geschockt. Nicht nur in Karin, die einen behinderten Bruder hat, setzt sich von nun an die Angst fest.

Anders Inge und Christa, beide stolz darauf, engagierte Mitglieder im BDM zu sein, die im Wandel ihre Zukunft in der NSDAP sehen. Auch Hans, Nazi-Sohn, stolz, Teil der arischen Volksgemeinschaft zu sein und hochmotiviert in der Hitlerjugend, ist begeistert.

Als Heinz, dessen Mutter Halbjüdin ist, eines Tages mitten im Unterrichtsgeschehen der Schule verwiesen wird, kann der Großteil der Klasse nicht verstehen, warum er gehen musste. In den Augen von Hans eine längst überfällige Notwendigkeit, die Schule endlich judenfrei zu bekommen.
Die Saat des Bösen ist aufgegangen, die Hetzjagd hat begonnen.

Von nun an sind nur noch die Gedanken frei. Wem kann man vertrauen, wem nicht? Man läuft mit, weil es keine andere Wahl gibt. Wahrheiten werden nur noch wenigen Menschen und dem Tagebuch anvertraut.

Als 1941 alle Jungen der Klasse zum Kriegseinsatz eingezogen werden, ist die Verwunderung groß, dass auch Heinz, der als „Vierteljude“ nie wieder die Schule betreten durfte, an die Front muss. Später, als Heimkehrer mit einer Kriegsverletzung, erhält er paradoxerweise vom „Führer“ das Eiserne Kreuz I. Klasse. Doch seine Abscheu gegen das Regime bleibt.

Die Greultaten nehmen zu: Karin wird zwangssterilisiert, ihr Bruder fällt dem Euthanasie-Programm zum Opfer. Der stets beliebte Siegfried lässt im Polenfeldzug sein Leben. Selbst die asthmakranke Waltraud wird wegen „angeblicher Verfehlungen“ zur Zwangsarbeit ins Jugendschutzlager Uckermark gebracht und später ins KZ Ravensbrück verlegt.

Stillschweigen und dennoch unsagbare Wut auf Hitler, prägen nun den Alltag. Und unsere jungen Protagonisten fragen sich: wann hört es endlich auf? Doch die ersten Bomben fallen nun auch auf Vechta ...

Projektbeschreibung:

Die Rollen waren angelegt auf mögliche Jugendliche der damaligen Zeit am Schulort; für Vechta hieß das: Betonung der Religion, kaum sozialdemokratische, dafür aber viele Bauernfamilien.

In allen Rollenbeschreibungen lag Konfliktpotenzial, politisch, familiär, im Rahmen der Klassengemeinschaft, wie in jedem Leben halt, aber an keiner Stelle war ein bestimmter Lebensweg angelegt. „Nicht alle werden überleben, aber wer sterben wird, wissen wir noch nicht!“ Dieser Satz wurde der Gruppe zu Beginn des Projekts mitgegeben und der Tod erfüllte sich als Prognose bei einigen der Figuren.

Die Notwendigkeit, eine solche Rolle auszugestalten, mit den damaligen Gegebenheiten und Ereignissen umzugehen, schneidet quer durch die Täter-Opfer-Schematik, die uns Politik und Medien so gerne vorgeben, die so bequem ist, die ein eigenes gedankliches Verorten in eine Gesellschaft, in der die Entscheidungen eben nicht frei sind, nicht erfordert. Die nahezu zwangsläufig erfolgende Identifikation mit der Rolle macht jedoch ein Denken in oberflächlichen Strukturen unmöglich.

In Zeiten, in denen der Geschichtsunterricht teilweise radikal gekürzt wird, das Fach sogar in einem Sumpf namens „Gemeinschaftskunde“ unterzugehen droht, ist das umso wertvoller. Dass das Projekt parallel zum Erstarken rechter Kräfte, ja der erneuten Hoffähigkeit rechter Parolen in unserer Gesellschaft lief, war Zufall; es macht das Gehen auf den Spuren der Menschen, die das schon einmal erlebt haben, nur wichtiger. „Ihr habt die Wahl – macht was draus!“, mahnte die Zeitzeugin Anita Krüger die Jugendlichen, ihre Freiheiten aktiv zu nutzen.

Besonders gut zu erkennen war dies in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück. Vorher war kaum abzuschätzen, wie entscheidend der mehrtägige Aufenthalt dort für den Erfolg des Projekts war. Die Jugendlichen haben die in der Ausstellung vorgefundenen Fakten selbstständig in ihre Rolle integriert, haben dabei selbst festgelegt, wer aus der fiktiven Schulklasse wohl in Ravensbrück bzw. im angrenzenden Jugendlager Uckermark landen würde und wie es ihnen dort ergangen wäre. Die von ihnen erdachten Vorträge und Rollenspiele bildeten eine Sternstunde der Projektarbeit.

Unsere Empfehlung:

Für mich ist dieses Buch eines der Berührendsten, das jemals zum Thema Nationalsozialismus veröffentlicht wurde. Es ist das Ergebnis eines Unterrichtsprojekts, in dessen Rahmen Jugendliche von heute in die Rollen von Tätern, Mitläufern und Opfern hineinversetzt wurden.

Das Hineinwachsen in diese Charaktere ist oft auch mit starken emotionalen Belastungen verbunden. Die Jugendlichen entwickeln ein intensives Gefühl, tatsächlich dabei gewesen zu sein, sie sind plötzlich mitten drin, sie müssen die unterschiedlichen Rollen bis zum bitteren Ende durchspielen!

Da ist ein Mitläufer bei der Hitlerjugend, dem zwar nicht ganz wohl bei der Sache ist, dem aber letztendlich eine Karriere als Marineoffizier wichtiger ist als alle Bedenken!

Da ist ein lesbisches Mädchen mit einem alkoholsüchtigen Vater, das eine Vorladung zur Zwangssterilisation zugeschickt bekommt und eine Asthmakranke, die letztendlich im Konzentrationslager Ravensbrück endet.

Zum Schluss müssen sie erkennen, dass sie alle von vorneherein zum Scheitern verurteilt waren, die Täter wie auch die Opfer!

Und gerade hier liegt für mich die Bedeutung dieses einmaligen Projektes: Nämlich in der Erkenntnis, dass eine Politik der einfachen und martialischen Lösungen, von Herrenmenschentum, Totalitarismus, Rassismus und Ausgrenzug IMMER in Massenelend und Zerstörung enden wird und das für Alle.

Die Einen werden verfolgt, erniedrigt und vernichtet. Die Anderen versinken im Schutt und Elend der Gegenschläge jener Kriegsmächte, die auf einen sinnlos vom Zaum gebrochenen Angriffskrieg natürlich mit militärischen Mittel regieren müssen.       

Dieses Buch ist eine hervorragende Leistung junger AutorInnen und engagierter Pädogogen. Sie haben in einfühlsamer Weise und mit historischem Hintergrund in ihrem Rollenspiel ein Meisterwerk gegen das Vergessen geschaffen.

Kein leichter Stoff, aber wichtiger denn je, um dem zunehmenden Rechtsruck der durch unser Land und ganz Europa geht, die Stirn zu bieten. Ein Projekt, das unbedingt Schule machen sollte!

Am Anfang des Werkes steht das sehr mutige und ehrlichen Vorwort einer 89jährigen Zeitzeugin.