Ein Abend zur Erinnerung und Mahnung "Meinethalben hängen Sie sich auf ..." Briefe, Lyrik und Lieder der jüdischen Dichterin Ilse Weber Ein Abend mit der Journalistin und Autorin Ulrike Migdal in der Geschwister-Scholl-Oberschule in Vechta, 14. Oktober

Wir würden und freuen, wenn Sie sich eingeladen fühlen und die Information der Veranstaltung weiter verbreiten würden.

Ein Abend zur Erinnerung und Mahnung
"Meinethalben hängen Sie sich auf ..."
Briefe, Lyrik und Lieder der jüdischen Dichterin Ilse Weber
Ein Abend mit der Journalistin und Autorin Ulrike Migdal in der Geschwister-Scholl-Oberschule in Vechta

Donnerstag, 14. Oktober 2021, 19.00 Uhr

(kostenloser Eintritt für alle Besucher. Es gelten die aktuellen Corna-Bestimmungen)



„Meinethalben hängen Sie sich auf ..,"
Briefe, Lyrik und Lieder der jüdischen Dichterin Ilse Weber
In Zusammenarbeit mit der Partnerschaft für Demokratie und der Geschwister-Scholl Oberschule veranstaltet der Geest-Verlag und Kultur lebt e.V. am 14. Oktober einen besondren Abend  (19.00 Uhr) zur Erinnerung und Mahnung.Ulrike Migdal, u.a. Journalistin und Autorin aus Bochum berichtet aus ihren Forschungen über das Leben der jüdischen Dichterin und Lyrikerin Ilse Weber. Ihre Geschichte soll zugleich Erinnerung und Mahnung sein.
Bereits am Vormittag des Tages wird sie einen Vortrag über Ilse Weber für Schüler halten

„Kürzlich traf ich eine frühere Freundin, wir mochten einander sehr. Sie lächelte spöttisch: ‚Heil Hitler!‘“
Prag im März 1938. Die Kinderbuch-Autorin Ilse Weber berichtet ihrer langjährigen Brieffreundin Lilian nach England: „Einige Schritte weiter treffe ich Frau Hocke, die zu mir gekommen war, als es ihr am elendsten ging. Sie sieht plötzlich starr in die Luft. Andere deutsche Freundinnen feixen oder sehen mich mit unbewegter Miene an. Es tut niederträchtig weh.“
Aus ihren Alltagserfahrungen beschreibt die 35-jährige Ilse Weber den Weg, der die Juden Schritt für Schritt ins Ghetto zwingt. Die "volksdeutsche" Minderheit hat sich als Filiale der Nazis organisiert und macht mobil gegen eine der ältesten jüdischen Gemeinden Europas. „Das Leben ist für uns unerträglich geworden“, schreibt Ilse Weber um Weihnachten 1938, "wir leben hier fast wie unter Bestien. Verzeih den Ausdruck, ich hoffe, die wirklichen Bestien werden mir ihn auch verzeihen."
Noch wenige Monate zuvor waren die unwirklichen Bestien wirkliche Nachbarn, Kollegen, Freunde gewesen, jetzt müssen Ilse und Willi Weber ihre Söhne vor ihnen in Sicherheit bringen. Es gelingt ihnen, Hanus, den älteren, über einen Kindertransport nach England zu retten. Das Ehepaar Weber und der vierjährige Tommy bleiben in Prag zurück. Alle Versuche, aus dem von der deutschen Wehrmacht besetzten „Protektorat“ zu entkommen, scheitern.


1942 wird die Familie in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, als gelernte Krankenschwester kümmert sich Ilse Weber um die Kinderstation. Während ihrer Nachtwachen schreibt sie Gedichte und komponiert Lieder für die verwaisten Kinder. Unter Lebensgefahr wurden diese Werke für die Nachwelt bewahrt, heute zählen sie zum Kanon europäischer Literatur. 

Ulrike Migdal
Studium der Philosophie, Geschichte und Musik in Bielefeld, Bochum und Köln. Nach der Promotion 1979 Forschungs- und Lehraufträge in Deutschland und New York, u. a. an der New School for Social Research und der Columbia University. Freie Mitarbeiterin u. a. bei der New Yorker Wochenzeitung „Aufbau“. Ausstellungen - Zeichnungen, Malerei - in Deutschland und Schweden. Freie Schriftstellerin, Dozentin und Autorin für den Rundfunk, u.a. den Deutschlandfunk.

Hörspiele, Theaterstücke, Lyrik, Kurzgeschichten und Essays. Publikationen zum Thema „Kunst und Kultur in den Konzentrationslagern“. Übersetzungen bei Campus und Suhrkamp. Zahlreiche Lesungen im In- und Ausland. Auszeichnungen: Förderstipendium des Kultusministeriums NRW 1985. 2010 Politik und Kultur-Journalistenpreis des Deutschen Kulturrats.

Ilse Weber
Seit sie 14 war, schrieb Ilse Herlinger jüdische und andere Kindermärchen, kleine Theaterstücke für Kinder und Gedichte, die sie auch vertonte. Sie wurden in deutschen, tschechischen, österreichischen und Schweizer Zeitungen und Zeitschriften, in Büchern und auch im Radio veröffentlicht. 1930 heiratete Ilse Willi Weber, und sie wohnten in Witkowitz/Ostrau. Neujahr 1931 wurde Hanus geboren und sein Bruder Tomäs im März 1934. Als das Leben dort für Juden immer schwerer wurde, zog die Familie 1939 nach Prag. Im Mai 1939 wurde Hanus Weber mit einem der vom Briten Nicholas Winton in Prag organisierten Kindertransporte nach England und von dort weiter nach Schweden verschickt, wo er von Freunden Ilse Webers als Pflegekind großgezogen wurde, und entkam so der Vernichtung. Am 6. Februar 1942 wurde die restliche Familie Weber von Prag in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort arbeitete Ilse als Krankenschwester in der Kinderkrankenstube.

Im Lager entstanden weitere Gedichte. Berühmt durch zahlreiche Interpretationen wurden das von ihr komponierte Schlaflied Wiegala und Ich wandre durch Theresienstadt. Dieses Gedicht hat Ilse Weber für ihren Sohn Hanus geschrieben, „den sie vor Ausbruch des Krieges in Prag in einen Zug gesetzt hatte, in der Hoffnung, ihn eines Tages wiederzusehen“.
Als die Kinderkrankenstube zur Deportation nach Auschwitz bestimmt wurde, meldete sich Ilse Weber freiwillig, um die kranken Kinder zu begleiten. Sie, ihr Sohn Tomäs („Tommy") und die anderen Kinder wurden gleich nach ihrer Ankunft am 6. Oktober 1944 im KZ Auschwitz ermordet. Ein Häftling vom Leichenträgerkommando, der Ilse Weber von Theresienstadt her kannte, ging zu den Wartenden. Zitat: .„Stimmt es, dass wir duschen dürfen nach der Reise?’ fragte sie. Ich wollte nicht lügen und so antwortete ich: ,Nein, das hier ist kein Duschraum, es ist eine Gaskammer, und ich gebe dir jetzt einen Rat. Ich habe euch oft singen hören in der Krankenstube. Geh so schnell wie möglich in die Kammer. Setz dich mit den Kindern auf den Boden und fangt an zu singen. Sing was du immer mit ihnen gesungen hast. So atmet ihr das Gas schneller ein. Sonst werdet ihr von den andern zu Tode getreten, wenn Panik ausbricht.’ Ilses Reaktion war seltsam. Sie lachte irgendwie abwesend, umarmte eines der Kinder und sagte: .Also werden wir nicht duschen.

Alfred Büngen, Geest-Verlag