Gabriele Loges: Die Glastür und andere Begegnungen (in der lektoralen Arbeit)



Eigentlich sollte die als Klappbroschur ausgestatte Kurzprosasammlung der Autorin schon zumr Frühjahr erscheinen. Doch dann kam Corona. Jertzt geht die Sammlung in die lektorale Endphase.

 

Gabriele Loges,

Geboren in Horb-Dettingen.

Wohnt mit ihrer Familie in Hettingen auf der Schwäbischen Alb.

Studium der Germanistik und Philosophie in Tübingen.

Ausbildung als Bibliothekarin. Zwanzig Jahre lang Leiterin der Stadtbücherei Gammertingen.

Weiterbildung zur Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

Heute freie Autorin, Journalistin und Bibliothekarin sowie Dozentin für Kreatives Schreiben und Poesietherapie.

 

Die Glastür


Eigentlich komme ich nicht mehr in mein Dorf zurück. Nur hin und wieder. Vor allem zu Beerdigungen. Ein Teil meiner Familie wohnt noch dort und wird auch dort beerdigt, einer nach dem andern. Solange ich lebe, werde ich in dieses Dorf zurückkehren und sehen, wie die Erde meine Verwandtschaft schluckt. Ein natürlicher Vorgang und nicht zu än-dern. Heute nicht und damals nicht.
Vor dem Friedhof kommt die Kirche. Sankt Peter, auf diesen Felsen, die Türe aus Glas. Mein Vater hat sich an der neuen Glastüre, dem doppelten Schutz vor Kälte, die Nase blutig geschlagen, sie wollte nicht heilen, nicht so schnell wie sein Tod kam, ihn abzuholen – erst die Kirche, dann der Friedhof.
Sein Friede, nicht meiner.
Bei jeder Beerdigung in meinem Dorf sehe ich dieses Glas, gehe hindurch, sehe das Blut, längst getrocknet und weggewischt. Der Vater wird mit diesem Blut lebendig, nimmt mich bei der Hand und geht mit mir zum Friedhof.