Geht in die Arbeit: J. Monika Walther: Am Weltenrand. Fotografien Henning Berkefeld

Am Weltenrand
von J. Monika Walther
Fotografien Henning Berkefeld

Geest-Verlag 2017

 

 

Nächste Woche kannst du mich nicht besuchen. Ich gehe weg.
Ich bin dann im Himmel. Ich habe viel zu erledigen. Du glaubst
nicht, dass ich in den Himmel komme? In der Hölle ist kein Platz
für uns. Da gehören wir nicht hin. Wir sind Himmelskinder. Ich
habe vor Jahren schon Fahrkarten gekauft. Für uns alle. Schau in
mein Portemonnaie. Die nimmt mir keiner weg. Geld ja, aber nicht
die Himmelskarten. Erste Reihe. Einmal im Leben landen wir da;
egal was die in der Stadt sagen. Sie haben unsere jungen Jahre
gestohlen. Die Nazis und die Stadtmenschen. Immer in Uniform.
Wenn ich alle Nägel hier in die Wand geschlagen habe, mache ich
mich auf den Weg. Du musst mir noch hundert Zimmermannsnägel
besorgen. Die brauche ich. Morgen. Morgen früh. Ich muss mit
meiner Arbeit bis Mittag fertig werden. Ich muss pünktlich beim
Essen sein. Halb zwölf wird gegessen, da muss ich am Tisch sitzen.
Ich muss Klara beim Essen helfen. Alles schneiden sie klein. Ich
will das nicht. Und immer werde ich hin und her geschoben. Die
Männer mit den langen Spritzen rennen durch die Gänge und jagen
mich.
Im Himmel wird das anders. Dort gibt es Holz und Nägel, Hobel
und meine Maschinen sind dort. Ich kann dir aber keine drei
Kirschen mitbringen. Das kannst du nicht von mir verlangen. Wenn
ich wieder da bin – kommst du? Bringst du mir Holz mit? Ich will
an den Rand der Welt. Ich baue uns ein Schiff.