Grußwort der Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung für Heimatvertiebene und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf anlässlich der Buchpremiere des Romans ‚Die Birkensinsel‘ von Heinrich Rahn

Grußwort der
Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung
für Heimatvertiebene und Spätaussiedler
Margarete Ziegler Rashdorf
anlässlich der Buchpremiere des Romans
‚Die Birkensinsel‘ von Heinrich Rahn



Meine sehr geehrten Damen und Herren,
über Ihre Einladung, lieber Herr Heinrich Rahn, zur Buchpremiere Ihres Romans „Die Birkeninsel“ habe ich mich sehr gefreut und bedanke mich ganz herzlich dafür!
Ich bin schon sehr gespannt darauf, heute gemeinsam mit Ihnen allen Anwesenden Auszüge aus diesem Werk hören zu dürfen.
Der hessischen Landesregierung und gerade unserem Ministerpräsidenten Volker Bouffier liegt sehr viel an den Deutschen aus Russland. Dies gilt ebenso für deren Eingliederung, die bei ihnen Studien zufolge besser gelungen ist als bei allen anderen Zuwanderergruppen, als auch für den Erhalt ihres mitgebrachten kulturellen Erbes.
Bei dieser Gelegenheit darf ich Ihnen in meiner Funktion als Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler die Grüße des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und die Grüße des Ministers für Soziales und Integration Stefan Grüttner, dessen Ministerium ich organisatorisch zugeordnet bin, überbringen. Die Förderung von beidem ist im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration - kurz HMSI - angesiedelt und wird großzügig gehandhabt. 
Erst am vergangenen Sonntag war anlässlich des im Hessischen Landtags begangenen Jubiläums des einhundertsten Jahrestags der Begründung der deutschen Autonomie an der Wolga wieder einmal deutlich zu sehen, welche besondere Wertschätzung den Spätaussiedlern in Hessen zuteilwird.
Jeder der dabei gewesen ist, durfte erleben, wie sehr sich unser Ministerpräsident mit der Herkunft, Geschichte und Kultur der Deutschen aus Russland auseinandergesetzt hat. Wieviel Verständnis er für sie und ihre besondere Situation hat, hat er in seiner Rede eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
So hat unter seiner Regierungsverantwortung das Land Hessen in den vergangenen Jahren sehr viel für die Deutschen aus Russland geleistet - und dies soll und wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in Zukunft so bleiben!
Ich trage seit Sonntag ein Ehrenabzeichen und ich trage es mit
Dankbarkeit und Stolz. Es ist die goldene Ehrennadel der
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die mir im Rahmen des Festaktes überraschend von der LM verliehen wurde. Ich berichte nicht deshalb davon, um mich als Person in den Vordergrund zu stellen, sondern möchte Ihnen damit sagen, dass wir hier in Hessen auch aufgrund der Funktion einer Landesbeauftragten gut und eng mit den Deutschen aus Russland zusammenarbeiten.
Offensichtlich wird das auch von den Russlanddeutschen so empfunden und das macht mich froh.
Mir sind die Deutschen aus Russland auch ganz persönlich ans Herz gewachsen und ihre Erzählungen faszinieren mich immer wieder. Nächtelang habe ich zum Beispiel die Bücher von Nelly Däs verschlungen. Die Russlanddeutschen sind ein großer Schatz und eine Bereicherung für unser Land und für uns alle. Das ist meine Überzeugung und meine Erfahrung. Und ich hoffe, dass Sie selbst ähnliche Erfahrungen machen.
Auch aus persönlichen Gesprächen ist mir darüber hinaus bekannt, dass ihm nicht nur die gesellschaftliche Bedeutung der Deutschen aus Russland bewusst ist, sondern er darüber hinaus auch ein großes persönliches Interesse für sie aufbringt. Dies steht sicherlich auch mit seinem eigenen familiären Hintergrund im Zusammenhang, schließlich ist die Familie seiner donauschwäbischen Mutter zum gleichen Zeitpunkt ausgewandert, wie seinerzeit die Siedler, die dem Aufruf der Zarin Katharina nach Russland gefolgt sind, wie er selbst in seiner Festansprache noch einmal darstellte. Auch dies trägt zu seiner ausgeprägten Empathie gegenüber den Spätaussiedlern und dazu bei, dass er ihren Anliegen stets ein offenes Ohr leiht.
Die Deutschen aus Russland haben hier einen starken und verlässlichen Partner. Dies zeigt sich gerade auch wieder daran, dass Hessen die bayerische Bundesratsinitiative zur Angleichung der Renten von Spätaussiedlern in aller Deutlichkeit unterstützt.
Zudem hat Volker Bouffier kürzlich während seines alljährlichen Gesprächs mit den Verbänden und Landsmannschaften der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler in der Staatskanzlei auch darüber hinaus weitreichende Maßnahmen in Aussicht gestellt, für die wir uns schon lange und mit Nachdruck eingesetzt haben. So meinte er nicht nur, dass wir von der bisherigen projektgebundenen Förderung bei der Eingliederung der Spätaussiedler hin zu einer kontinuierlichen institutionellen Förderung kommen müssten, er zeigte sich zudem auch gegenüber der Idee sehr aufgeschlossen, in Hessen einen eigenen Lehrstuhl zur Geschichte und Kultur der Deutschen aus Russland einzurichten.
Gerade auch hierfür hatte ich mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits seit Längerem verwandt. 
Die überaus bewegte - und auch bewegende - Geschichte der Deutschen aus Russland, die - wie der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Johann Thießen, anlässlich der Veranstaltung 100 Jahre deutsche Autonomie an der Wolga unlängst meinte - ein langer Weg gewesen ist, birgt ein überaus großes Forschungspotential. Neben dieser Geschichte weist aber auch die reichhaltige und überaus vielseitige Kultur als Teil des gesamtdeutschen kulturellen Erbes noch so viele Schätze auf, die es zu heben gilt. Dies gilt nicht nur für die Kultur aus den Siedlungsgebieten und für das, was die Spätaussiedler bei ihrer
Übersiedlung mitgebracht haben, sondern auch und gerade dafür, was sie auch heute leisten. Sie bereichern die deutsche Kultur in erheblichem Maße und tragen zu ihrer Weiterentwicklung mit bei. Ich denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die aus dem rumänischen Banat stammende Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2009 Herta Müller.
In meiner inzwischen schon langjährigen Tätigkeit als Spätaussiedlerbeauftragte sind mir immer wieder bemerkenswerte Menschen begegnet, die sich durch eine besondere Kreativität und hohe Schaffenskraft auszeichneten.
Einer dieser Menschen, die über ein solch ausgeprägtes kreatives Potential verfügen, ist der Autor Heinrich Rahn.
1943 als Sohn einer deutschen Familie in der Ukraine geboren, spiegelt sich die bewegte Geschichte der Deutschen in Russland auch in seiner persönlichen Biographie wider.
Nach Kriegsende wurde die Familie nach Sibirien und dann Kasachstan deportiert. Das bei ihm schon in Kindertagen herausgebildete Interesse am Schreiben hat ihn zeitlebens begleitet. Nach einem arbeitsreichen  Leben als Bauingenieur in der Sowjetunion und den nach seiner Übersiedlung im Jahre 1990 aufgenommenen Tätigkeiten in verschiedenen Architekturbüros, ermöglichte es ihm letztlich der Zeitzuwachs im (wohlverdienten) Ruhestand, sich intensiv seiner Leidenschaft dem Schreiben zu widmen.
Seine ganz persönlichen Erfahrungen finden dabei ebenso wie die seiner Volksgruppe in seinen Werken ihren Ausdruck. Dies zeigt gerade auch sein jüngstes Buch „Die Birkeninsel“. Darin zeichnet er analog zu seinem eigenen Leben den durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs erzwungenen Weg der Hauptfigur Rene von der Ukraine über Sibirien und Kasachstan bis nach Deutschland nach.
Die fantastische Birkeninsel steht dabei sinnbildlich für die wichtigen Stationen in seinem bewegten Leben, welche für den weiteren Romanverlauf von wichtiger Bedeutung sind. Das Buch ist auf der einen Seite ein ganz persönliches Werk des Autors, in dem sich sehr viel von ihm selbst wiederfindet. Vor allem aber lassen die Zeilen uns auch einen interessanten Blick in die Seele der Deutschen aus Russland werfen. Gerade das ist es, was seine Bücher aus meiner Sicht so interessant und lesenswert macht. Wir lernen, diese Seele, das Denken dieser Volksgruppe besser zu verstehen.
Wer also etwas über die Volksgruppe der Deutschen aus Russland, über ihren Hintergrund und ihre Geschichte - vor allem über ihr Denken und Fühlen - erfahren möchte, sollte sich daher mit dem Werk von Heinrich Rahn beschäftigen.
Mir ist aufgefallen, dass es gerade unter den Russlanddeutschen besonders viel Autoren und Autorinnen gibt. Ich vermute, dass dies mit ihrem schmerzlichen Schicksal zusammenhängt. Viele Jahrzehnte waren die Russlanddeutschen unterwegs, immer aufs
Neue irgendwo angesiedelt, wieder verscheucht, vertrieben, deportiert, verbannt. Ihr Leben war durch Entbehrung, harte Arbeit auf der anderen Seite aber großen Familienzusammenhalt und auch einen großen Zusammenhalt innerhalb der eigenen Volksgruppe gekennzeichnet. Grausame, einschneidende Ereignisse bringen die Menschen dazu, sich in eine innere Migration zu begeben, in einer inneren Welt zu leben und sich darin so seine eigene Welt zu bauen.
Darin könnte der Schlüssel für so viel schriftstellerisches Potential der Deutschen in und aus Russland liegen. Hier verarbeiten sie ihr Schicksal, ihre Erlebnisse, Schicksalsschläge, aber natürlich auch freudige und positive Ereignisse. Hier dürfen sie auch Emotionen zeigen, Gefühle, die sie sonst im harten Alltag nicht nach draußen tragen dürfen.
Auch deswegen bin ich der Ansicht, dass wir insgesamt mehr unternehmen könnten, um das kulturelle Wirken von Deutschen aus Russland zusätzlich zu fördern und zu unterstützen. So habe ich im Sommer veranlasst, dass das HMSI 20 Exemplare des Buches „Die Birkeninsel“ ankauft, die ich inzwischen als gerne genommene Gastgeschenke zu verschiedenen Terminen mitnehme.
Ich denke, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf diesem Gebiet lässt sich noch sehr viel mehr erreichen und wir können vielleicht auch gemeinsam überlegen, wie wir die kulturellen Tätigkeiten russlanddeutscher Autoren und Künstler künftig noch optimaler fördern können. 
Nun freue ich mich erst einmal mit Ihnen gemeinsam auf die Lesung von Heinrich Rahn aus seinem Buch „Die Birkeninsel.“ Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit