Hans-Hermann Mahnken überzeugte bei der gestrigen doppelten Bremer Buchpremiere

Begrenzte Hörerzahl, daher eine doppelte Buchpremiere, also zwei Veranstaltungen hintereinander. Der Coroana-Situation geschuldet, gleichwohl eine mehr als überzeugende Premiere von Hans-Hermann Mahnken mit seinem neuen Band 'Notiz auf dem Frühstückstisch' in der Villa Ichon in Bremen. Heidrun Immendorf vom Literaturkontor begrüßte die Gäste, ehe Verlagsleiter Alfred Büngen und Ulrike Marie Hille jeweils in das literarische Werk des Autoren einführten.

Mahnken selbst überzeugte dann mit einer äußerst klug zusammengestellten Lesung die Gäste. Man kann nur hoffen, dass nach Corona noch mehr Hörer in den Genuss einer Lesung mit ihm kommen.

 

Einführungsrede von Alfred Büngen

Liebe Gäste, lieber Hans-Hermann Mahnken,
ich freue mich, Sie am heutigen Abend hier willkommen zu heißen. Willkommen zu einer Buchpremiere in einem Kreis von Menschen. Eine Seltenheit geworden, eine kostbare Perle auch für einen Verlag. Nicht weniger als 220 Veranstaltungen sind aufgrund der Corona-Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten allein bei uns ausgefallen. Wirtschaftliche Katastrophenstimmung gerade für kleinere Verlage, die auf den Lesungsbetrieb angewiesen sind, aber auch für Autoren, die zudem der Situation des Nichtgesprächs oder nur digitalen Gesprächs über ihre Literatur ausgesetzt sind.
Gerade Autoren wie Hans-Hermann Mahnken, die – damit kommen wir zur Literatur und zum Literaten des heutigen Abends – nicht marktschreierisch daherkommen, vielmehr zur unaufgeregten, stilleren und leise einfühlsamen Lyrik gehören, haben es schwer, in diesen Zeiten gehört zu werden. Dabei wäre es doch gerade heute so wichtig, Mahnkens Verse wahrzunehmen, wie es insgesamt wichtig wäre, in diesen Wochen und Monaten sich mit Lyrik auseinanderzusetzen.

Doch erst einmal ein paar Worte zur Person Hans-Hermann Mahnken
1955 in Bremen geboren, erfolgt nach unterschiedlichsten Tätigkeiten die Ausbildung zum Krankenpfleger, ein späteres Studium der Psychologie und Pflegewissenschaft in Bremen und London beendet er als Dipl.-Pflegewirt.
Nach zahlreichen Beiträgen in Anthologien erschien 2015 dann in unserem Verlag seine erste eigenständige Publikation: 'Kostbare Nichtigkeiten', der nun die zweite eigenständige Produktion ‚Notiz auf dem Frühstückstisch‘ folgte. Nach zwei literarischen Preisen erfolgte 2017 die Zuerkennung des Bremer Autorenstipendiums.

Was ist es, was diesen Bremer Autoren, in vielen seiner Gedichten ist diese enge Anbindung an diese Stadt und seine Menschen spürbar, umtreibt? Eigentlich sagen es bereits die Titel seiner Bände: Notizen auf dem Frühstückstisch, kostbare Nichtigkeiten.

Rufen Sie in sich selbst doch einmal 'Notizen auf dem Frühstückstisch' wach. Ein kleine Haftnotiz, ein Zettelchen. Was stand drauf? Eine liebvolle Aufmerksamkeit, ein Hinweis, sass man etwas nicht vergessen sollte, noch eine Kleinigkeit einkaufen sollte. Seltsamerweise, diese kleinen Notizen sind oftmals so wichtig, dass sie unseren gesamten Alltag beeinflussen können, positiv und negativ.
Und schon spüren wir die Verbindung zum Gedicht. Die wenigen, sorgsam gewählten Wörter, die mich und meine Sinne greifen, in den Tag begleiten, ja, sogar diesen Tag verändern, neue, andere, vielleicht ungeplante Richtungen geben.

Hans-Hermann Mahnken ist ein Sammler, ein Sammler von kostbaren Nichtigkeiten, von kleinen Begegnungen, von Momenten, von Augenblicken. Doch er schaut hinter diese Begegnung, den Moment, den Augenblick. Welche Geschichte, welches Leben, welche Philosophie, welche Lebenseinstellung wird dahinter sichtbar. Dazu ein kleines Zitat aus einem Gedicht, das er uns sicherlich später auch lesen wird.

"Die stummen Fassaden und Straßen scheinen nichts zu bedeuten,

doch halten sie Erinnerungen verborgen, Geschichten einfacher Menschen.
Die Stadt ist voll von Geschichten.
Diese Steine scheinen nichts zu bedeuten, doch halten sie die Erinnerungen so vieler Menschen
gefangen, Geschichten, die niemand erzählt."

Geschichten der Menschen, ihres Denkens, ihres Fühlens in verschiedensten lyrischen Formen erzählen. Er hält uns die Geschichte nicht vor, manipuliert sie uns nicht belehrend, nimmt vielmehr die einfache Wirklichkeit der Geschichte und überlässt dem Leser die Interpretation, die Ableitung, die Anknüpfung an sein eigenes Leben.

„Ach, könnt mein Wort dich doch bewegen   
in der Tiefe deiner Galaxie
und wiederkehr’n als Sternenregen
in einer Sommernacht voll Poesie.“ Schreibt Mahnken in seinem ersten band.

Ich kann nur sagen und werden wir es auch am heutigen Abend wieder erleben: Mahnken bewegt mit der wunderbaren Schlichtheit seiner Lyrik, die all sein Beherrschen der literarischen Formen aufzeigt, das uns niemals den moralischen Zeigefinger hinhält.
Der Autor macht uns aufmerksam. Lenkt unseren Blick auf die kleinen unscheinbaren Wichtigkeiten, hinter denen das Besondere, die große Bedeutung zu erkennen ist. Doch Mahnken entlässt uns, scheint mir dies das besonders Erwähnenswerte zu sein, beim Lesen und Hören der Gedichte in die Mündigkeit des eigenen Denkens. Wir müssen die Bedeutung der Notizen für uns entschlüsseln. Wir müssen die Notizen in unseren Alltag mitnehmen, um diesen Alltag zu durchschauen, ggfs. zu verändern oder zu bejahen.

Ich freue mich wieder einmal sehr auf eine Lesung mit Hans-Hermann Mahnken, denn  ich weiß, dass dann der Alltag morgen ein anderer sein kann. Oder um es mit den Worten des Dichters zu sagen


„Dieses Werden und Vergeh’n
ist nicht zu begreifen –
Lass mich noch dein Lächeln sehn,
wenn die Winde streifen.“
 

 

Heidrun Immendorf