Heimat Menschheit - Doppelanthologie zu den 7. Berner Bücherwochen (Menschheit im Druck)

Heimat Menschheit
Doppelanthologie
zu den
7. Berner Bücherwochen
Herausgeber:
Reinhard Rakow
Geest-Verlag, Vechta 2019

© 2019 Geest, Vechta

ISBN 978‐3‐86685-742-1

1. Te4il 340 S.
 

 

 

Tomorrow, my friend …

Zu den unausrottbar beliebtesten küchenphilosophischen Theoremen beim Büchermachen gehört der Satz, beim nächsten Buch gehe alles besser, denn nun habe man ja genug Erfahrungen gesammelt und sei drum fortan gegen allfällige Fehler gefeit, so nachhaltig und so wirksam, dass die Beteiligten auf ewig und alle Zeiten davor bewahrt blieben, erneut viel zu lange an einem viel zu dicken, viel zu wenig strukturierten, viel zu eng gesetzten, noch dazu für einen selber inhaltlich nicht wirklich runden Buch zu arbeiten. Ach! Ja, das nächste Mal wird alles besser! Dann wird die Einsendefrist so früh gesetzt, dass gaaanz viel Zeit zum Lesen bleibt. Dann kommt nur noch Nobelpreis-Qualität ins Buch; kein Alters-, Geschlechter-, Schichten-, Regionalproporz mehr. Dann geht das Cover mindestens zwei Monate vor der Premiere zum Drucker und der Inhalt einen Monat später zum Buchbinder. Dann trifft das fertige Buch einen Monat vor der Premiere im Verlag ein. Und davor, davor wird ausführlichst diskutiert und abgewogen und bedacht und hin- und her- und zurückerörtert, auf dass und bis dass eine literarisch über alle Zweifel erhabene Hervorbringung des gesammelten Geistes unserer Zeit kondensiert sei. Und vor allem wird ausreichend geschlafen, das nächste Mal, und nicht wieder gearbeitet bis in die Puppen. Denn der Mensch braucht seinen Schlaf, und auch ein Herausgeber und ein Verleger sind nur Menschen, selbst wenn sie wegen nächtlicher Mail-Aktivitäten oder nächtlicher Buchtransportfahrten anderen zur öffentlichen Belustigung dienen.
Doch grau, mein Freund, bleibt alle Theorie, denn die Realität ist gnadenlos und widerlegt sie grausam. Da ebbt der Strom der Einsendungen nicht ab wie erwartet, da sorgt seine Stetigkeit im Gegenteil für Furcht einflößende Rekorde, da ist die Qualität der Texte so gut, dass sich nicht so bedenkenlos wie erträumt sieben lässt, da leidet der Mitarbeiter zwischendurch an Längerem, die Festplatte an einem Crash und man selbst an einem suboptimalen Zahnarzt. Dazu der Kampf ums Detail, denn keinem soll ein Unrecht widerfahren: Ginge es ausschließlich um Qualität, wäre dieses Buch zu 90 Prozent mit Gedichten österreichischer AutorInnen bestückt, deren hohe Literatenkunst durch etliche Preise zweifelsfrei ausgewiesen ist. Aber wiegt deren Schreibkunst mehr als der Mut eines Autors aus der Region, der sich traute, erstmals einen eigenen Text einer Öffentlichkeit anzudienen? Was ist mit der autobiografischen Kriegserinnerung der Achtzigjährigen im Vergleich zu, sagen wir, dem in köstliche Worte wohl gesetzten Aufsatz der taffen Germanistik-Studentin? Bei diesem Text hat der Einsender die Autorenerklärung eigenmächtig sinnentstellend neu formuliert, bei jenem ist die zugelassene Textlänge um zehn Zeilen überschritten. Darüber bleibt dieses und jenes und anderes liegen, das Zeit verdient hätte. Und irgendwo, ganz weit draußen am Rande, gibt es noch etwas, das Zeit verdient hätte: Leben.

Zwei Wochen vor der (eh schon verschobenen) Premiere. Um sieben (p.m., also 19) beginnendes Mail-Ping-Pong mit Verleger Alfred Büngen, Streit ums Cover, die Nerven liegen blank. Um zehn Mail-Ping-Pong um die Autoren-Biografien, wer hat wann was nicht gelesen, die Nerven liegen schon wieder blank, denn eigentlich muss dringend das Vorwort geschrieben werden, und was soll diese Schärfe im Ton, jeder tut doch, was er kann. Und wir sind ja erst beim ersten Buch von drei. Und jetzt zeigt die Uhr schon wieder halb zwei, a.m.

Das läuft natürlich nur, weil wir uns begeistern und berauschen. Daran, dass wir das (noch) können. Begeistern und berauschen an der Vielzahl und der Pracht der Facetten, in die die Autoren die Themen aufgefächert haben. Überraschend, liebevoll, packend, frappierend, anrührend. An der Freude einer Autorin. Wir hielten sie für mit allen Wassern gewaschen, aber auf unsere Mail wegen Klärung eines Details in ihrer Vita rief sie zurück, narrisch vor Freude, dabei sein zu dürfen. An dem Text eines Vierzehnjährigen, der eine glänzende Idee glänzend umgesetzt hat. An einem tollen Gedicht. An einem Bild wie dem von dem sterbenden Reh, das darauf wartet, dass sein Fell in die Erde schmilzt. Daran, und dass das Buch „Menschheit“ viel dichter und schöner geworden ist, als
wir je erwartet hatten. „Schöner“ in der Aufmachung, „schöner“ zu lesen.
Vielleicht gibt es nach der siebten ja doch die achte Bücherwochen-Anthologie. Schließlich sind wir jetzt schlauer.
Wir könnten ja früher anfangen, zum Beispiel.

Reinhard Rakow

Verena Hopp                                       Drücks   
Walter Baco                                         Ohne Titel    
Georg Skrypzak                                   Im Rahmen der Sprachlosigkeit   
 
Simon Schwaiger                                   „Vom Fremdsein, Ankommen und
                                                             einem Zuhause“ –
                                                             wir kommen in Frieden    

Christina Reichinger                               Musik kennt keine Schönheit   
Maximilian Schöppl                                Zu Hause, daheim.    
Moritz Gut                                             Mensch. Menschsein. Menschheit.    
Martin Schacherbauer                            Irrationale Gefühle   
Marcell Achrainer                                   Lehm und Blut    
Silvia Berger                                           Akt   
Gerd Meyer-Anaya                                 Höhlenforschung   
Markus Grundtner                                  Die AGB des guten Menschen   
Martina Bethe-Hartwig                           Rosinkess mit Mandlen   
Ulf Großmann                                        unbewältigt
                                                             Neues Gewebe
                                                             oh Aluhut   
Katharina Körting                                  Zwischen Chance und Risiko: Der Mensch ist dem Schicksal der Freiheit unterworfen   
Hans Jörg Stahlschmidt                          Verfrühter Altengesang   
Silke Tobeler                                          Das Schwein  
Patricia Falkenburg                                Was wir sind.   
                                                             Menschheitsgeschichten:
                                                             Prophezeiung des Gegenwärtigen.    
Ursula Maruhn                                      Der Meisterdenker   
Henrike Hütter                                     LAMPEDUSA
                                                            Drei Gedichte
                                                            Im Boot auf dem Meer
                                                            Boote der Hoffnung
                                                             Auffanglager   
Stefan Schumacher                                Morgen, vielleicht morgen   
Irene Ullrich-Leimbach                           Die Schere im Kopf
                                                             Milieuwechsel   
Jenny Schon                                           Ich war mal …  
Kaia Rose                                              Fluch und Segen
                                                            (Drei Gedichte)
                                                             Bonnie & Clyde
                                                             Flugbahnen
                                                             Bergpredigt   
Ulrike Kleinert                                       Ankommen   
Rolf Blessing                                         Tagtraum   
Anna Zmuda                                         Die Belesene   
Jürgen Quadfasel                                  99 Cent   
Sigune Schnabel                                   Strandgut
                                                            Abhängige Landschaft
                                                            Gedankenputz   

Patrick Strasser                                     Esther
                                                            Kohelet
                                                            Der Hagen ist mond-krank und steckt im Morast  
Christian Müller                                   Das Burkaverbot tritt erst morgen in Kraft    
Jens Wohlkopf                                      Kleine Menschheitsgeschichte   
Julia de Boor                                        die zahl der überlebenden
                                                           alle in einem boot –
                                                           „somewhere over the rainbow“
                                                           dazugehören   
Erika Schmidt                                      Menschlich   
Edith Koschnick                                   Ein Mann mit Charakter  
Henrike Hütter                                     Die Vergessene   
Erika Huppert                                       Einfach nicht darüber nachgedacht   
Johannes Teschner                               (ohne Titel)   
Rieke Freese                                         Anti-Freitod   
Frančeska Liebmann                             Mein Schatten
                                                            Moja sjena  
Ursula Pickener                                    Liebeserklärung an eine Leiterplatte
                                                            Frankensteins Freude
                                                            wir könnten auch im kaufhaus singen   
Tabea Zeltner                                       Die Tragik des
                                                             i-Tüpfelchens    
Bernd Storz                                           In Konstanz
                                                            Fisch
                                                            Stele  
Wolfgang Uster                                     Die Bedürftigen  
Gudrun Güth                                        Der Nächste bitte   
Karl Johann Müller                                Schwerkraft
                                                            Tage können reisen   
Cornelia Koepsell                                  Neandertaler   
Nina Tröger                                           Irgendwo da draußen sind noch Menschen   
Kathrin B. Külow                                    lautlingen
                                                             beginn der austreibung
                                                             (ohne Titel)  
Markus Fegers                                      Taufe   
       
Autorenbiografien