Ich sehe die Brücke über einen Bach - Vorwort der Herausgeber für das Projekt der Oberschule Emstek

 

 



 

Ich sehe die Brücke über einen Bach
Ein Projekt mit Schülern
und Schülerinnen mit und ohne
Migrationshintergrund
der Oberschule Emstek

Herausgeber, Projektleitung und Idee:
Alfred Büngen und Oliver Kausch
Projektkoordination:
Kerstin Bocklage
Die grafischen Arbeiten
der Autoren und Autorinnen
entstanden unter Anleitung
von Elvira Eden

Die Autoren und Autorinnen:
Hanan Al Ayash, Rathanisa Chim,
Weronika Czerwinska, Ellen Deters,
Wiktoria Galganska-Fritz, Marcel Hajdini,
Tatjana Hajdini, Lisa Hannöver, Sajjad Hosseini, Diana Käfer, Magnus Kellermann, Nico Klaus,
Julia Lang, Sarah Lübbehüsen,
Nikola Mieczkowska, Inessa Rose, Madalina Tutu, Tabita Tutu, Tebeca Tutu, Christian Zibert,
Martyna Zyniewicz

 

Es gibt die Brücken
zwischen den Kulturen

Das nunmehr dritte Schreibprojekt in der Zusammenarbeit von Oberschule Emstek und Geest-Verlag war ein ganz besonderes Vorhaben. Zielte das erste gemeinsame Projekt und Buch ‚Und so geht es miteinander‘(2015) auf das Erfassen veränderter Kommunikationsstrukturen, das zweite Projekt ‚Und Heinrich erzählt‘ auf das Erkennen der Entwicklung autoritärer Strukturen am Beispiel der Entwicklung des Nationalsozialismus in einem ländlichen Bereich wie der Gemeinde Emstek, so stellte sich das dritte Projekt einer ganz besonderen Aufgabenstellung: der der Entwicklung eines Miteinanders von Schülern mit sehr unterschiedlichen Migrationshintergründen und einheimischen Schülern. Neben der Frage des sozialen und kulturellen Miteianders trat die Frage der Möglichkeit des sprachlichen Miteinanders, wobei man feststellen muss, dass alle betei-ligten SchülerInnen zumindest soweit Deutsch beherrschten, dass ein Gespräch miteinander möglich war.
Von Beginn an war klar, dass sich nur Schü-ler und Schülerinnen auf einer freiwilligen Basis an diesem Schreib- und Buchprojekt beteiligen sollten. Schüler und Schülerinnen von der sechsten bis zu zehnten Klasse konnten sich zum Projekt anmelden, wenn sie einen jeweiligen Partner mit jeweils an-derem kulturellen Hintergrund fanden, also Schüler mit Migrationshin¬tergrund einen ein-heimischen Schüler oder einheimischer Schüler mit Migrationsjugendlichem.
Vom pädagogischen Ansatz sollte nicht der Prozess der Migration oder auch Fluchterleben im Mittelpunkt der Arbeit stehen, viel-mehr sollten sich die Jugendlichen über wichtige Fragen, die sie gleichermaßen als Jugendliche hatten, austauschen. Sprachlich gesehen, sollte jeder der Muttersprachen bei der Entstehung von Texten geschrieben und gesprochen werden dürfen. Da Deutsch die gemeinsame Sprache des Verstehens war, mussten dann allerdings die Texte alle ins Deutsche übersetzt werden, aber es wurden auch deutsche Texte in die anderen Mutter-sprachen übersetzt, je nach Willen des Schreibtandems.
Zwischendurch wurden immer wieder die Partner getauscht, damit man sich untereinander kennenlernte, andere Sprachen ‚erfühlte‘. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch zwischendurch Spiele aus der New-Games-Bewegung, aber auch einfache Sprachspiele.
Der wichtigste Teil neben dem Schreiben zu einzelnen Fragestellungen war das Vorlesen. Der Texte wurde jeweils in der Mutterspra-che vorgelesen, man mutmaßte, was er bedeuten könnte, ob es bekannte Wörter gab, dann erst hörte man den Text in der deutschen Übersetzung. Schon nach jeder Zeit las jeder der beteiligten Jugendlichen ohne Scheu seine Texte, erhielt bei jeder Lese-runde Beifall. Auch wenn diese Leserunden teilweise sehr viel Zeit kosteten, so war es doch bemerkenswert, mit welcher Konzentration die Jugendlichen den Texten zuhörten, nachfragten, über das Gehörte redeten. Nicht zu verschweigen, dass bei einigen Tex-ten auch Tränen flossen, da das Schreiben und Lesen verdrängte Emotionen aufkommen ließ. Erstaunlich jedoch mit welcher Fürsorglichkeit die Gruppe solch emotionale Reaktionen aufnahm. Nicht alles musste be-sprochen werden, da jeder der Beteilig6ten wusste, worüber man sprach, wie man fühlte.
Wenn aus vermuteten Differenzen Gemein-samkeiten werden und Unterschiede das Miteinander bereichern, dann werden Begriffe wie ‚Migrationshintergrund’ und ‚Einheimische’ zu Wörtern und die einzige Bedeutung, die noch im Raume steht, ist der ‚Mensch’ als verbindendes Element zwischen den Jugendlichen.
Immer wieder waren wir erstaunt von der Empathie, Kreativität und dem gegenseitigen Verständnis der Jugendlichen. Am Ende ist dieses Buch das Ergebnis von neugierigen und interessierten Schülern  und Schülerinnen, aber zugleich der Beweis, dass man nicht nur am Horizont eine mögliche Brücke zwischen den Kulturen erkennen kann, son-dern sie ist sogar begehbar.

Alfred Büngen und Oliver Kausch