Iris Keller - Tour de Verd /das Buch der 5. artist in residence in Vechta - das Nachwort

 

Die Welt neu erleben - ein „Verd“ geht auf  Tour
Ein Nachwort

Eine studierte Puppenspielerin und ihr „Verd“ erkunden Vechta aus dem Blickwinkel des Mobilitätswandels und der Wahrnehmung von Geschwindigkeit. Das nunmehr 5. Artist in Residence-Projekt der Universität und der Stadt Vechta stand von Beginn an unter einem guten Stern. Nicht nur, dass es ein kleines Jubiläumsjahr war, das mit einer Veranstaltung aller fünf Artist-Künstler gefeiert wurde. Die Jury-Mitglieder waren sich vor allem in ihrer Entscheidung bei der Auswahl rasch einig. Eine Puppenspielerin bildete nach einem Autor und zwei Auto-rInnen sowie einer Zeichnerin einen neuen künstlerischen Ansatz beim Versuch, einen Blick auf die Stadt, ihre Menschen und ihr Verhältnis zueinander zu schaffen. Und ein Pferd als zentrale Figur der Reflexion war ein verwegener, aber ange-sichts seiner historischen Mobilitätsbedeutung logisches Figu-renelement, das sich in der Pferderegion geradezu anbot.
Und „Verd“ wurde, wie in diesem Buch nachzulesen, selbst von seiner rasch einsetzenden Popularität überrascht, obwohl „Verd“, von Iris Keller selbst entworfen, gerade einmal die Größe einer Hand besaß, gelegentlich sehr eigen und zudem äußerst kritisch war. Regelmäßige Blogeinträge und Kolumnen in der hiesigen Oldenburgischen Volkszeitung ließen viele Bür-ger der Stadt an den Auseinandersetzungen von „Verd“ mit den Grundzügen der Mobilität und des Lebens in dieser Stadt teilnehmen. Und der Blick von Verd schaffte den Menschen neue, ungeahnte Blicke.
„Die Puppenspielerin sieht die Welt aus einem anderen Blick-winkel“, schreibt Iris Keller dazu. „Sie blickt aus der Perspektive ihrer Figur – kann aber stets wieder zu ihrer eigenen Person zurück¬kehren. Die Figur erwacht zum Leben, wächst mit der Zeit, wird aufgeladen mit Geschichten, bis sie sich selbststän-dig macht. Die Figur erlebt alles zum ersten Mal. Ihre naiven Augen laden uns zum Schauen ein. So können auch wir die Welt neu erleben.“
Als kleine Figur in unmittelbarer Bodennähe, aber stets durch die Puppenspielerin geschützt, hat „Verd“ in den sechs Wo-chen des Aufenthalts eine Vielzahl von Begegnungen mit Men-schen, die sehr unterschiedlich ihre Mobiltät wahrnehmen und wahrnehmen können. So trifft es die tanzenden Massen auf dem Elektronik Festival „Tante Mia tanzt“, es spricht auf einer Demonstration, erlebt den gemeinsamen Frühjahrsempfang von Stadt und Universität Vechta, begleitet ein Basketballspiel des heimischen Bundesligateams Rasta Vechta, spricht mit Unternehmern, dem Fahrer der Universität, mit Studierenden, Schülern und Schülerinnen, Inhaftierten der hiesigen Justizvoll-zugsanstalt für Frauen, Stadtplanern und vielen anderen. Be-deutsam ist auch die Begegnung mit der alten, impulsiven Dichterin, deren Leben im Altenwohnheim ohne besondere Mobilität verläuft, ohne dass sie dabei ihre Vitalität verliert. Kunst, nicht nur in dieser Begegnung, als Lebensantrieb?
In der intensiven Gesprächsgestaltung dieses Buchs zwischen „Verd“, der Puppenspielerin und Menschen vor Ort stoßen wir immer wieder auf neue Gesichtspunkte der Veränderung von Zeit, von Mobilität, von gesellschaftlicher Wirklichkeit. Die Sichtweise von „Verd“ ermöglicht uns eine andere Sicht auf die reale Erscheinung.
Zu seinem Aufenthalt befragt, bedauert „Verd“ zunächst, dass es wie überall in der Welt auch hier in Vechta auf den Sachver-halt gestoßen ist, dass Besitz und Reichtum mitunter im Vor-dergrund stehen, dass zu eng und zu kurzfristig in vielen Ange-legenheiten gedacht wird. Aber zugleich stellt „Verd“ jedoch fest: „Ich habe Menschen getroffen, die mich so bewegt ha-ben, dass ich ein Buch über sie tippe. Und das ist mit vier Hufen gar nicht so einfach.“ Auch wenn „Verd“ sich eine besondere Huf-Schreibtechnik auf der Tastatur angeeignet hat, war es eine schwierige Arbeit, die es zum Glück für uns fertiggestellt hat.

Ein herrliches Buch mit Elementen der Komik, der Satire und der romanhaften Erzählung eines Aufenthalts.
Ein ganz anderes Vechta-Buch.
Danke „Verd“.

 

Prof. Dr. Burghart Schmidt
Präsidentin der Universität Vechta

Helmut Gels
Bürgermeister der Stadt Vechta