Jenny Schon - Die Wirklichkeit eines Arbeiterkindes. Zum Wagner-Jahr

Jenny Schon

Die Wirklichkeit eines Arbeiterkindes
Zum Wagner-Jahr

Meine eltern kannten nicht tristan
Sie wären nicht mal fähig
Zu wissen was ein meistersänger ist
Und nürnberg sahen sie nur
In der UFA-wochenschau

Als 18jähriger kam mein vater nach böhmen
Er putzte flugzeuge für die wehrmacht
In pilsen den ersten schwarzen getroffen
Und schokolade gegessen
Die amerikaner entließen ihn nach hause

Mein vater hat kohle aus dem ruhrpott geholt
Und in der gießerei zylinder gegossen
Manchmal krächzte er das lied
Ich hatt’ einen kameraden und weinte
Er starb an einer staublunge

Mutti hat den direktoren die teller poliert
Und den speisesaal auf vordermann gebracht
Am montag großen waschtag gehalten
Und morgens und abends
Den mann und die kinder versorgt

Beim unkrautjäten sang sie
Manchmal von den drei lilien auf dem felde
Sie hatte eine schöne stimme

Sie sparte auf einen zehnplattenspieler
Dann sangen wir gemeinsam
Das lied vom lachenden vagabunden

… in Bayreuth waren wir alle nicht