Jenny Schon - Einsamer Wanderer - für Gottfried Benn (2.5.1886-7.7.1956)

Jenny Schon
Einsamer Wanderer
für Gottfried Benn (2.5.1886-7.7.1956)


Einsamer Wanderer, Mensch
Wortlos, schweigend ziehst du
Deines wirren Weges
Graue Felder, schwarze Leiber
Schwirren wie endlose Fäden
Vorbei an deinen Augen
Oben Himmel und Verderben
Keine Gnade und kein Regen
Unten Erde und das Jammern
Um verlorne Zeit
Nicht ein Fluß zu lösen deine Pein
Keinen Frieden wirst du gründen
Weiter, immer vorwärts führt dein Schritt
Und gleich einem Krebs
Setzt der Weg dich doch zurück
Einsam bist du – in dir Friede
Draußen wie ein sumpfger Wall
Breitet sich um dich die Welt
Und du wanderst viele Straßen
Durch die Leiden dieser Zeit
Mädchen hälst du warm in deinen Armen
Bist doch selber Eis und Bein
Vorwärts plagt dich dein Gewissen
In das Unermeßliche hinein
Zeitenlos bist du nun schon gegangen
Deine Füße werden müd
Moos wächst auf den alten Beinen
Wölfe heulen aus dem Wald
Tief sinkst du im torfigen Gefilde
Wandrer, wo wirst du zu Hause sein

aus: Fragen bleiben..., Gedichte, Geest Verlag, erscheint im September 2020