Jenny Schon

Schöpfung
Hölderlin starb am 7. Juni 1843
NICHT ALLE TAGE. . .

Nicht alle Tage nennet die schönsten der,
Der sich zurücksehnt unter die Freuden wo
Ihn Freunde liebten wo die Menschen
Über dem Jüngling mit Gunst verweilten.


…am Tag meiner Wortgeburt
wurde Sprache
mir geschenkt…
zu zürnen
den Formhaften
die Widersprüche zementieren
meine Lichtzungen suchen
Wahrheiten meine Reißzähne
zerfetzen die
Worthülsen von
den Erbsenzählern
dass ich nicht ausrutschte
wie Heinzelmännchen
und Sinne getäuscht
Liebe zu schmecken
und Hass abzuwehren

Abgetrennte
Augenlider werfen
Schatten auf Pharisäer
ihre Lobpreisungen werden
von Krähen gefressen
Mein Hunger treibt
die Satten aus
meinem Gedärm
ein leerer Magen
war immer schon Stimulanz
den Reichtum der Erde
zu erkennen…

Der Anfang hat
seine Tücken gewiß
ein Paradies wurde
nicht versprochen
aber dieses Eitle
und es ward gut
was er schuf
war voreilig
es ist Rebellion
entstanden
aus dem sich
Neues gebiert
Leben ist Egoismus…

Verstand und Herz
zeigtest du beides
verdammen sie dir
Hölderlin ist
eins mit mir
Goethe dichtet
jedes Frühjahr neu im
Maien den Mädchen
der Blütenkranz
das sind die kleinen
Hoffnungsperlen
im endlosen Sand
der menschlichen Wüste
die mich die Geburt
nicht bereuen lassen




aus: Fragen bleiben…, Gedichte, Geest Verlag, September 2020