Jessica Heister - Kann ich lernen zu träumen?

Kann ich lernen zu träumen?
Jessica Heister

Der millionste Versuch, einen Text über meine Träume zu verfassen. Immer wieder die Frage: Was möchtest du? Was wünscht du dir? Was ist dein größter Traum? Doch da-rauf habe ich keine Antwort. Aber warum? Keine Zeit. Keine Kapazität. Keinen Wert.
Mein ganzes Leben lang kümmere ich mich um andere. Um Familie, Freunde und Fremde. Wo ist da ein Platz für mich? Kein Raum für mich. Ich versuche, meine Prioritäten zu setzen, doch was möchte ich eigentlich? Ich weiß es einfach nicht.
Ich beobachte die Vögel am Himmel. Wie sie sich formieren und in Scharen davonfliegen. Wegfliegen. Möchte ich wegfliegen? Nein. Ich bin nach all den Jahren endlich ange-kommen. Fliegen. Schweben. Das Gefühl von Leichtigkeit. Freiheit. Unsicherheit. Ich möchte nicht unsicher sein. Möchte mich ge-borgen fühlen, fest am Boden. Gehalten. Ver-ankert. Festgekettet. Auch das kann nicht die Lösung sein.
Das Meer. Rauschen, salzige Luft, Weite, ertrinken. Die Berge. Aufstieg, Aussicht, Absturz.
Kann ich lernen, meine Bedürfnisse zu erkennen?
Was ist mein Ziel? Habe ich eins? Brauche ich eins?
Warum kann ich nicht genießen, keinen Druck zu haben und mir keinen Druck ma-chen zu müssen?
Ziellosigkeit und Unsicherheit. Das bringt Druck. Niemals das Gefühl von Entspannung. Ständig unter Strom. Ich brauche Ruhe. Jetzt ist es ruhig. Anspannung durchzieht mich. Die Gedanken rasen. Kaum einer zu fassen. Stress. Panik.
Gedanken an Träume sollten doch entspannend sein.
Ich träume.


aus dem 2. Buch der Vechtaer Slampoeten