Luisa Krieger - Alleinerziehend

Luisa Krieger
Alleinerziehend


Wie oft sie die Tischplatte schon geküsst hat, kann sie nicht sagen, hätte sie eine Tischdecke, könnte man es vielleicht an den Lippenstiftfle-cken messen, aber sie kann sich keine leisten. Weder eine Tischdecke noch Flecken noch Lip-penstiftlippen. Das Spiegelbild schüttet sie mit dem Tee herunter, setzt eine Träne drunter, die laut auf dem Tisch aufschlägt und sich in das Holz gräbt, zumindest denkt der Schleier vor ihren Augen das.
„Mama? Ich kann nicht schlafen …“
Sein Kuscheltier wie einen Anker umklammert klettert er auf ihren Schoß, und seine Wärme tut so gut, dass sie sich vor Liebe fast übergeben hätte.
Beinahe hätte sie geantwortet „ich auch nicht“, stattdessen trägt sie ein Lächeln auf und ihren Sohn ins Bett.


aus dem neuen Band der Schreibwerkstatt des Gymnaiums Antinianum