Luisa Krieger - ohne Titel (Literatur in schwierigen Zeiten)

Luisa Krieger
Ohne Titel

Ihre Füße wandern
vom trockenen Flussboden gejagt
weiter
Und sie schaut zu
wie sommerfaule Blätter
den tobenden Wind heiraten
und wimmernd mit ihm flussabwärts ziehen
Sie krabbelt in die andere Richtung
die nebelgrauen Steine nach oben
und wünscht sich
fliegen zu können
wie die jauchzenden Geier über ihr
Angekommen
verliebt sie sich in den verspiegelten Wasserhahn
der sie wie ein Fenster anstarrt
Sie streckt sanft ihre Hand aus
wie tausend kleine Eiszapfen kitzelt
die Kälte auf ihrer Haut
Sie drückt dagegen
und nach einem leisen Aufschrei
dreht er sich auf
Sie steht in einem Meer
und der Geier ist verflogen