Marianne Warnking - So kam ich zur Selbsthilfegruppe

Marianne Warnking
So kam ich zur Selbsthilfegruppe

Am 25. Juni 2011 bekam ich meine Diagnose. Ich konnte schon länger nicht mehr gut auf dem rechten Auge sehen, scheute mich aber, deswegen zum Arzt zu gehen. Als ich an diesem Freitag zum Geldautomaten ging, um mir Geld zu ziehen, konnte ich aber plötzlich die Zahlen nicht mehr er-kennen. Ich konnte so gut wie nichts sehen!
Ich ging dann schließlich doch zum Augenarzt in die offene Sprechstunde. Der Arzt, der mich untersuchte, sprach gar nicht großartig mit mir. Als ich fragte, was denn nun los sei und wie es weitergehen sollte, kam nur von der Sprechstun-denhilfe: „Das bleibt so.“ Ich war völlig verzweifelt. In den nachfolgenden Wochen fühlte ich mich, als sei ich in ein tiefes schwarzes Loch gefallen, aus dem ich einfach nicht mehr herauskam.
Über Umwege geriet ich in Kontakt mit dem Andreaswerk. Die Vorsitzende des Blindenhilfswerks, Hildegard, riet mir zum Besuch einer Selbsthilfegruppe. Ich beschloss, ihrem Rat zu folgen, und ging zu einem der Treffen. Mein erster Eindruck war allerdings nicht so gut – die Gruppe war recht groß und es war ein riesiger Lärm, alle sprachen durcheinander. Außerdem traf ich dort auf eine Bekannte, die mir eher wenig sympathisch war. Ich dachte: ‚Das ist sicherlich nichts für mich!‘ Im Nachhinein fand ich es aber doch ganz nett und ging, trotz der Schwierigkeiten, jeden Donnerstag zu den Treffen.
Unsere Gruppe wurde immer größer, wodurch auch das Problem mit der Lautstärke immer deutlicher wurde. Schließlich wurde beschlossen, man wolle die Gruppe aufteilen. Die älteren Mitglieder würden in eine eigene, kleinere Gruppe wechseln. Man bot mir die Gruppenleitung an. Zunächst wollte ich davon nichts wissen, ließ mich aber letztlich doch breitquatschen – zum Glück. In der kleinen Gruppe ging es viel ruhiger zu. Jeder, der wollte, konnte reden, ohne unterbrochen zu werden. Es war eine sehr angenehme Atmosphäre.
Im Jahr 2014 hatte ich leider einen schlimmen Unfall, bei dem ich mir beide Arme brach. Während meiner Abwesen-heit übernahm ein anderes Mitglied stellvertretend die Leitung der Selbsthilfegruppe. Ich freute mich sehr, dass die Gruppe am Ball blieb und weiterhin Treffen stattfanden. Als es mir besser ging, wurde ich mit offenen Armen empfangen.

Meine Gruppe ist mir mit den Jahren sehr wichtig geworden. Es ist viel wert, immer jemanden zu haben, dem man seine Sorgen anvertrauen kann, und der versteht, wie es einem geht. Der Austausch untereinander und die gemein-sam verbrachte Zeit, zum Beispiel bei unseren Bastelaktio-nen zu Ostern und Weihnachten, tun sehr gut. Man merkt, dass man nicht allein ist.
Und außerdem hört man in der Gruppe die besten Blindenwitze.

 

aus: So stark bin ich. Geest-Verlag 2022