Miriam Bornewassser überzeugte mit ihrer Premiere von 'Wände ohne Welten' am gestrigen Abend in der Katholischen Öffentlichen Bibliothek in Friesoythe

Schon eine Reihe von Jahren war es her, erinnerte gestern die Leiterin der Bibliothek in der Begrüßung, dass Miriam Bornewasser als Teilnehmerin des Leseclubs des örtlichen Gymnasiums engen Kontakt zur Bibliothek hatte. Umso schöner war es, dass sie am gestrigen Abend erneut in der Bibliothek zu Gast war, diesmal als Autorin ihres eigenen Buches mit einer eigenen Buchpremiere. Trotz Corona-Bedingungen, mit viel Abstand, teilnehmerreduziert und mit Lüftungspause, war es eine überzeugende Buchpremiere. Musikalisch unterstützt, las Miriam Bornewasser einige ihrer Texte aus dem Buch. Während der Lesung ließ sie bei dem einen oder anderen Text bereits Hintergründe des Entstehens ihrer Texte erkennen. In einem längeren Gespräch mit dem Publikum am Ende der Lesung, moderiert von Verlagsleiter Alfred Büngen, erfuhren die Besucher, unter ihnen drei junge Autorinnen des Verlags, mehr über die Bedeutung und die Form des Schreibens der Autorin. Eine wirklich gelungene Lesung, der viele weitere folgen sollen.

Begrüßungsansprche von Verlagsleiter Alfred Büngen auf der Buchpremiere von Miriam Bornewasser am 17.10.2020

 

Sehr gehrte Gäste, liebe Miriam Bornewasser,
es ist mir heute eine besondere Freude, auf dieser Buchpremiere zu sein. Denn Buchpremieren sind in diesen Zeiten schon etwas Außergewöhnliches geworden. Nicht, dass es zu wenige Bücher gäbe, nein, es fehlt durch Corona das, was gerade die Lyrik braucht: das Gespräch, der Kontakt zwischen Leser und Autor. Und gerade junge Lyrik bedarf dieses Kontakts, bedarf dieses Gesprächs.
Und heute haben wir eine besondere, ja eine ganz besondere Lyrik, die uns begegnet. Ich werde sie ein wenig in das Denken und Fühlen von Miriam Bornewasser einführen, soweit ich es kann, denn Lyrik sollte nicht von einem Fremden für den Leser erklärt werden, sie sollte sich im direkten Kontakt zwischen Hörer und Leser eigenständig erklären. Dennoch, ein paar Hinweise seien erlaubt.


Zuerst einige Worte zur Autorin selbst. 1999 in Friesoythe geboren, dort ihr Abitur gemacht, ein halbes Jahr in Nordirland verbracht, seit 2018 studiert sie in Düsseldorf. Ein Leben zwischen verschiedensten Welten. Friesoythe, Düsseldorf, Nordirland, aber immer begleitet von Kunst und Literatur, die ihr Mittel zum Ausdruck und zugleich zum Erfassen dieser Welt sind. Eine Welt, die sie als widersprüchlich erfasst, die sie aber mit aller Kraft, so wie sie schreibt, zu verstehen versucht:


„Die übersehenen Widersprüchlichkeiten
verwirren mich nicht
ich stürze mich in sie
und versuche sie, in all ihrer Deutlichkeit zu ignorieren“

Wie nimmt die Autorin diese Welt wahr? Ich verfalle jetzt nicht in die Plattitüde und setze die Autorin mit der heutigen Jugend gleich. Nicht 'Jugend' nimmt in dieser Weise wahr. Wir wollen von ihr sprechen, von Miriams ganz besonderen Weise, diese Welt zu sehen.


„Ich nehme die Welt in Schichten wahr
in Ebenen
die sich übereinanderlegen
die sich verneinen und ergänzen
die verschmelzen
ohne sich zu berühren
Manchmal wandle ich zwischen ihnen
schaue durch sie hindurch
und ergreife, was sich mir anbietet
Und dann stoße ich mich wieder
und alles verstellt mir den Blick“

Die künstlerischen Bilder, mit der sie diesen Band ausgestaltet, zeigen genau diese Vielschichtigkeit der Wahrnehmung unserer Welt, seziert und wieder neu zusammengesetzt mit einer unglaublichen persönlichen Kraft, die sie selbst mit dem Begriff der Leichtigkeit beschreibt. Die Leichtigkeit der Wahrnehmung, das ‚Rasseln der Seele‘, (was für einen unglaublichen Ausdruck findet die Autorin hier), das sie nicht belastet, das sie aber immer mit sich herumträgt. Sie will nicht erklären und nicht erklärt werden, aber begreifen, verstehen, sich erklären, uns damit die Möglichkeit des ebenfalls Verstehens geben. Die Welt, das private und gesellschaftliche Miteinander, sie versteht es als ein sich immer wieder erneuernder, immer weiter verlaufender Prozess.


Miriams Sprache bleibt stets eindeutig und klar, überhöhte Bildlichkeiten sind ihr sprachlich und auch in der künstlerischen Darstellung fremd, und doch stürzt sie uns durch die Bildung von Zusammenhängen in ein tiefes Nachdenken, für das wir uns nur bedanken können, denn so erfahren wir die Welt neu und anders, indem sie uns Sichtweisen mit auf unsere Reise gibt. Die Leichtigkeit, die Berechtigung, Fragen zu stellen, neue Zusammenhänge zu entdecken, die gibt sie uns mit auf den Weg.


"Ich bin ein Kind des Friedens
das ist alles was ich kenne
manchmal glaube ich
Blicke auf etwas anderes zu werfen
glaube zu erblicken,
was für immer unverständlich sein sollte
manchmal habe ich mich gewöhnt
kenne keine Gefahr
keine Angst
doch dann. Dann wache ich auf."

Ein Kind des Friedens, das die Welt neu entschlüsselt. Was für ein Glück, dass sie uns teilnehmen lässt an diesem Aufwachen.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss einen Bezug herstellen zu einem Autoren, den sie in vielen Gedankengängen, ja bis in bestimmte Bilder so unglaublich ähnelt. Rilke, insbesondere der junge Rilke. Der formuliert in seinem  'Buch vom Mönchischen Leben' eine Hoffnung, die, da bin ich mir sicher, bei der heutigen Lesung und der weiteren Rezeption wünsche:


"Nur eine schmale Wand ist zwischen uns,
durch Zufall; denn es könnte sein:
ein Rufen deines oder meines Munds -
und sie bricht ein
ganz ohne Lärm und Laut."


Liebe Miriam, ich danke dir, für die Intensität und die Offenheit bei der Zusammenarbeit. Ich danke dir für viele neue Sichten und wünsche uns einen wunderbaren Leseabend.