Nike Harms - Sie mochte die Farbe Blau

Nike Harms
Sie mochte die Farbe Blau

Ich war acht Jahre alt, als ich meine beste Freundin Ina ken-nenlernte. Ich wohnte gerade seit elf Monaten in einer kleinen Stadt an der Ostsee. Meine Eltern waren wieder einmal umgezogen, wegen der Arbeit, und ich wollte eigentlich nicht wegziehen. Ich wäre gerne in Süddeutschland geblie-ben bei meiner Freundin Hanna. Aber als Kind hatte ich lei-der keine andere Wahl.
Hanna und ich waren dicke Freunde. Dazu gehörte eigent-lich noch Sophie. Im Kindergarten fing es bei Sophie an, dass sie immer häufiger fehlte, weil sie krank war. Sie wurde mit uns zusammen eingeschult und bis zu den Herbstferien war alles gut. Danach kam sie kaum noch in die Schule und wenn, dann war sie ganz blass und still. Verabreden zum Spielen konnten Hanna und ich uns auch nicht mehr mit ihr, weil ihre Mutter uns am Telefon immer sagte, dass sie sich ausruhen müsse. Nach den Weihnachtsferien gab uns die Klassenlehrerin Bescheid, dass Sophie nicht mehr zur Schule kommen könne, weil sie sehr schwer krank sei.
Sophie starb noch vor ihrem nächsten Geburtstag. Wir konnten sie leider nicht mehr vorher besuchen, weil sie durch die Behandlung gegen den Krebs meistens sehr müde war. Wir ließen mit der ganzen Klasse bunte Luftballons zum Himmel aufsteigen, um uns von Sophie zu verabschie-den. Mein Luftballon war blau, weil ich wusste, dass Sophie diese Farbe sehr mochte. Eine solche Traurigkeit hatte ich zuvor noch nie in mir gespürt.
Meiner Freundin Hanna ging es genauso. Am Anfang sprachen wir noch sehr viel über Sophie, aber nach einigen Wo-chen kaum noch, weil es uns zu sehr aufwühlte. Hanna und mich haben diese Traurigkeit und auch die schönen gemein-samen Erinnerungen an Sophie zusammengeschweißt.
Auch wenn ich jetzt schon seit über sechs Jahren im Norden lebe, habe ich immer noch Kontakt mit Hanna. Wir telefo-nieren manchmal miteinander und erzählen uns, was wir alles erlebt haben.
Im Norden lernte ich meine Freundin Ina beim Piratenchor kennen. Einmal im Jahr gab es in meiner neuen Heimat die Piratentage. Ich sah Ina zum ersten Mal bei der Chorprobe und wir verstanden uns sofort prima. Wir haben viel zusammen gelacht und gemeinsam die neuen Lieder gelernt. Sehr schnell haben wir festgestellt, dass wir auf derselben Wellenlänge sind. Wir sind beide bunt, irgendwie anders, nicht immer leise und vor allem nicht zurückhaltend.
Wir helfen uns gegenseitig und versuchen uns zu unterstützen. Ina wird zurzeit in ihrer Klasse von einem anderen Mädchen gemobbt. Wenn wir miteinander telefonieren und uns treffen, höre ich mir ihren Kummer an und versuche sie zu trösten.
Ich glaube, das macht eine wirklich gute Freundschaft aus, dass man dem anderen vertrauen und ihm alles erzählen kann. Dass man sich gegenseitig hilft und versucht sich in den anderen hineinzuversetzen. Mit Ina habe ich zum Glück eine Freundin gefunden, mit der ich durch dick und dünn gehen kann.