Ossip Mandelstam - Notre Dame (in der Übersetzung von Andreas Peters)

 NOTRE-DAME

 

Der Richter Roms, zu Fuße fremde Völker,

Dort steht Basilika, und – fröhlich und als Erstes

Spielt mit Muskeln das leichte Kreuzgewölbe,

Wie Adam einst, die Nerven weit gespannt.

 

Von außen offenbart sich der Geheimplan:

Hier sorgte vor die Kraft der Gürtelbögen,

Damit die grobe Last die Wand nicht zerstöbe –

Die untätige Ramme des frechen Gewölbes.

 

Labyrinth der Elementen, unbegreiflicher Wald,

Die reiche Gotikseele, ihr Ratio-Abgrund.

Die Macht Ägyptens und christliche Sanftmut,

Dem Schilfrohr nah – die Eiche und die Könige im Lot.

 

Je aufmerksamer, du Festung Notre-Dame,

Studierte ich dein Monster Schreck-Gerippe –

Da dachte ich: aus dieser ungeheuren Schwere

Werd´ ich, auch einst, was Herrliches erschaffen …

 1912