Reinhard Rakow - Und ich schreibe Gedichte

 und ich schreibe gedichte


und ich schreibe gedichte
wälze worte
feile zeilen
verpasse meinen enjambements
knieschoner oder
schmerzpflaster
je nachdem
zerbreche mir den kopf über
ein
einziges wort stunden
lang im zweifel
reiß ich sie aus
mit stumpf und
löschtaste

wie kann ich das wagen:
gedichte zu schreiben
mitten im chaos
des hauses
in dem ich hause
in dem sich abwasch türmt
bügelwäsche
rost ansetzt
die unkrauthacke
schimmelt
unerledigte bescheide
ungelesenen zeitschriften
peinlichen kontoauszügen
höhnisch die hand reichen

wie kann ich das wagen:
gedichte zu schreiben
im angesicht all des leids
meines nachbarn
meiner stadt
der welt täglich
sehe ich zu wie
die mich zu vertreten vorgeben
schutzsuchende im meer ersäufen
oder in lagerkoben verstauen
und ich trinke täglich kaffee aus afrika
und nutze täglich handy und computer
und erkenne täglich meine gemeine kleinheit
und weiß um meine endlichkeit ---

und ich schreibe gedichte