Reinhard Rakow - Wäre der Krieg nicht

wäre der krieg nicht


wäre der krieg nicht gewesen
und hätte meine mutter ihren verlobten
den einzigen mann sie jemals liebte
nicht an das schlachten verloren
und wäre sie und ihre familie
im fernen vesuve nicht
ausgebombt worden
und hätten sie nicht halt gemacht
in einem hessischen kaff in einem
verrotteten bauernhof wo
 
wäre der krieg nicht gewesen
und hätte mein vater seinem vater auf dem hof
zur hand gehen können statt in
gefangenschaft zu geraten während
sein vater von polnischen zwangsarbeitern
angefordert beim gauleiter wegen
des vaterlanddiensts seines sohnes auf
geknüpft wurde
und wäre mein vater nicht zu spät
so spät heimgekehrt dass

wäre der krieg nicht gewesen wo/
dass/
da die beiden sich über den weg liefen
und mich zeugten zwischen einem
bettelzug um ferkel und dem nächsten
zwischen dem begraben des einen groß
vaters und des anderen (eines versehrten
WK-1-helden der nie verstehen konnte/
wollte warum sein groß
deutsches reich schon wieder so gedemütigt)

wäre der krieg nicht gewesen
und hätte meine mutter nicht
ihren gefallenen egon beweint
und ihre toten freunde in vesuve und nicht
ihr schicksal mit diesem mann und
mit einem kind dem als junge geboren
das schicksal eines soldaten drohte
und hätte sie ihm/ mir nicht
das anfassen von waffen
verboten und ―






wäre polen nicht überfallen worden 1939
von der verbrecherischen deutschen wehrmacht
und hätte sie nicht massenmorde verübt
und nicht kriegsverbrechen begangen
allüberall wohin die knobelbecher sie trugen
im raubmörderrausch hemmungslos
und wären nicht
fünfundsiebzig
millionen menschen weltweit
getötet worden unschuldige zivilisten die meisten


wie könnte ich sein

wie könnten wir sein

was könnten wir anderes sein

als pazifisten?