Rezension zu J. Monika Walther: Abrisse im Viertel. Gedichte 2010-2015



J. Monika Walther: Abrisse im Viertel. Gedichte 2010-2015
Fotografien: Henning Berkefeld
Rezension von Sylvia Tornau

„Die Seelen im Ganzen geteilt
fallen die Sonnenflecken schwarz
auf Gesichter Wände es geht
um Welt und die Wirklichkeit.“ (Drei Seiten der Medaille, S.31)

Ich verstehe nicht alles, was die Autorin mir mit ihren Texten sagt, aber immer, wenn ich mich einlasse auf ihre Worte, ihre Sprachbilder, öffne ich mich dem Schmerz von  Sehnsucht und Trauer. Ich werde berührt in meiner Seele und es strömt eine Lebendigkeit jenseits von Funktionieren und Abarbeiten in mich ein. Brachial bahnt sich da mittels Waltherscher Worte Lebenszartheit mit schneidender Kälte den Weg in nicht wahrgenommene, vom Alltag überlagerte Regionen meines Seins. Lasse ich mich ein, lasse ich die Berührung zu, dann durchdringen diese wortgewebten Geschichtensplitter dieser Gedichte und sie wärmen. In all der entstehenden Einsamkeit schafft es die Autorin Verbindung herzustellen, von Seele zu Seele. Sie konfrontiert die Leserin mit  kleinsten gemeinsamen Nenner des Seins: Wir alle sind im Grunde einsam und das verbindet uns.

„…Was in mir denkt ist ohne Heimat
Wer fragt nach dem Ort
Wenn Fluchten und Mauern
Die Wege versperren…“ (Lebenszimmer, S. 55)

J. Monika Walthers Gedichte sind eine Einladung zu Wachsamkeit, zu Liebe, zum reisenden Blick auf Gewohntes, Eigenes, Fremdes. Sie sind eine Einladung. Beim Lesen bin ich plötzlich zu Hause im Unbehausten, lehne mich zurück und fühle. Was war, was ist, was mag noch kommen. Da ist nichts geradliniges, weder im weiß, grau, schwarz und schon gar nicht im bunt. Das ist nichts Einfaches.

„…Ein Mann entzündet
sein Herz mit einem glitzernden
Feuerzeug und brennt so lichterloh
dass er Ja sagt…“ (Die Tränen der Fotografin, S. 105)

Eines überlagert das Andere und das wird wieder überlagert von etwas Neuem, aus dem Alten geboren. Geradlinig ist bei dieser Autorin nur der Schmerz, der alte und der neue und der geht Hand in Hand mit gelebter Lebenswachheit. Mit ihren Gedichten klopft die Autorin ans Eingemachte und weckt damit die schlafende Neugier und die verborgene Leidenschaft fürs Sein.

Die durchweg in Sepia gehaltenen Fotografien von Henning Berkefeld sind weit mehr als Illustrationen. Sie sind Einladungen zum genauer hinschauen, Abbildungen einer bestimmten Idee von Gewesenem. Dennoch scheinen sie sehr bewusst ausgewählt für diesen Gedichtband. Sie korrelieren gut mit den Gedichten, denn auch sie singen das Lied des Lebens, geprägt von Abschied, Sehnsucht, Vertrautem und Fremden. Sie bringen etwas zum Klingen, was vordergründig nicht auf ihnen zu sehen ist. Vielleicht hat die Autorin beim folgenden Gedicht auch an diese Bilder gedacht.
„Getrennt im Himmel
Ist ewig wahr
Die Ruhe der Dinge
Beschrieben
Auf der Rückseite
Der Bilder“ (Unentgeltlich, S. 185)

Meine Empfehlung: Unbedingt Lesens- und Betrachtenswert.

J. Monika Walther: Abrisse im Viertel. Gedichte 2010-2015; Fotografien: Henning Berkefeld; Geest-Verlag, 12,50 €, 218 Seiten