Rheinischer Merkur rezensiert Marianne Pumbs 'Unter uns Pastorentöchter ...'

MARIANNE PUMB 
 
Mutige Christenschar
 

Das Romandebüt der mecklenburgischen Pastorentochter über ihr Leben als Christin in der DDR ist auch ein ergreifendes Sittenbild des totalitären SED-Staates.

VON UDO SCHEER
 

STANDHAFT:  Protestanten beim Evangelischen Kirchentag in Halle, 1988.
Foto: epd 

„Ich habe diese Geschichte erfunden. Aber so ist es wirklich gewesen. Hier – und anderswo.“ So lauten die letzten Zeilen in Marianne Pumbs Gesellschaftsroman über das Leben in einem verschwundenen Land, das sie bestens kennt. Geschrieben wurden sie aus der Sicht einer 1961 in Mecklenburg geborenen Pfarrerstochter, die nicht in die sozialistische Pionierorganisation und nicht in die Freie Deutsche Jugend eingetreten war. Trotz ausgezeichneter Leistungen bekam sie als bekennende Christin in der DDR keine Zulassung zur Erweiterten Oberschule und damit zum Medizinstudium, ihrem Jugendtraum.

In Lyrikkreisen ist Marianne Pumb mit inzwischen drei Lyrikbänden, zuletzt „Die Liebe scheint wirrich“ (2008), keine Unbekannte mehr. Ihre Gedichte leben von frischem, mitunter bewusst frivolem Wortwitz, aber auch von unsentimentaler Genauigkeit. Ihr Debütroman „Unter uns Pastorentöchtern“ ist erfrischend lebensnah. Das Mädchen Maria ist stolz, ihren Vater zu seinen Predigten in die mecklenburgischen Dörfer begleiten zu dürfen und als „kleine Zeremonienmeisterin“ für die Einsätze der Gottesdienstbesucher zu sorgen. Später ist sie begeistert, als ihre schöne Mutter mit ihren rissigen Händen Gitarre spielen lernt. Besonders beeindruckt sie das Lied vom kleinen Jonny aus dem Liederheft zum innerkirchlichen Gebrauch, der, als er eine Protestdemonstration anführt, Martin Luther Kings Rat befolgt und singt: „… Wir haben unsere Zahnbürste dabei/ und werden sie noch brauchen/ eines Tages sind wir frei …“

Mit ihrem religiösen Hintergrund ist es für Maria so absurd wie normal, dass sie statt zu studieren nur Krankenschwesterschülerin werden darf. In ihrer Ausbildung erlebt sie alle Facetten, die ein Krankenhaus in der DDR ausmachte. Am wohlsten fühlt sie sich bei den Landesjugendtreffen: „Wir waren unter uns Pastorentöchtern.“ Ihre Kraft zieht sie auch aus Liedern.

Einmal kommt es beim von der Partei organisierten „Soldatentanz“ zum Eklat, als „ihr“ Unterleutnant und sie für den Politoffizier hörbar den Schießbefehl diskutieren. Ihr Tänzer wird in eine Strafkompanie versetzt. Briefe kommen nicht an. Später wird sie „ihren“ zum einfachen Soldaten degradierten Hans aus Zufall wiedertreffen, sie werden heiraten, in kirchlichen Friedenskreisen aktiv und Maria wird das Lied vom kleinen Jonny singen, wenn sie zu Demonstrationen fahren. Für den Fall der Festnahme haben sie ihre Zahnbürsten dabei.

So ist es gewesen, nicht nur in diesem schmalen Roman, der unter die Haut geht.

 

aus: Rheinischer Merkur 20.5.2010

 
 Marianne Pumb: Unter uns Pastorentöchtern. Geest Verlag, Vechta 2009. 136 Seiten, 11 Euro.