Sarah Freese - Gefangen seit einer Ewigkeit

Sarah Freese (Visbek, 17 J.)
Gefangen seit einer Ewigkeit

Ganz allein auf meiner Insel aus Gefühlen
schwimme ich durch das Meer, bestehend aus Streit und Tränen.
Ständig weckt mich nachts eine neue Flut aus Wörtern,
die ich in meinem Alter noch gar nicht kennen dürfte.
Mal sie, mal er, einer weint, einer geht,
und ich bin allein, weine nicht, gehe nicht,
bin schon weg, denke nur.
Höre meine Gedanken durchs ganze Haus.
Auf einmal kein Geschrei mehr, alles still.
Ich denke, hoffe, doch es ist gerade einfach nur keiner zu Hause.

Und plötzlich nie wieder Streit,
versprechen sie mir, sind sich sogar einig.
Muss ich verstehen, wieso ich trotzdem
nicht mal ansatzweise glücklich bin?
Ist‘s doch das, was ich mir immer wünschte.
Wobei …, ich höre lieber ihre Stimmen
durchs ganze Haus fliegen, so voller Hass,
als auf einmal nur noch Stille in der kleinen Wohnung,
in meinem kleinen Zimmerchen,
immer noch voller Umzugskartons,
zugestopft mit hastig gepackten Erinnerungen,
die ich mich nicht traue auszupacken.
Keiner mehr da, der mir zuhört,
mir seine Liebe schenkt und mir Verständnis zeigt?
Keiner mehr da, der merkt, wann ich wo bin,
wie‘s in der Schule läuft?
Keiner mehr da, der sich für meine kleine Existenz interes-siert?
Muss mir wohl andere Freunde suchen,
wenn sie es nicht mehr sind.
Habe doch keinen hier, will nicht allein sein,
alles fremd, wohin mit mir?
Jede Nacht treffen wir uns im Park, vergessen Probleme,
teilen uns Tütchen voller Spaß.
Die Gedanken jede Nacht verlieren
und sie irgendwann nicht mehr wiederfinden,
besser so.

Meine Freunde sind da für mich, sind gut für mich, denke ich.
Bin jetzt nicht mehr allein,
steige nicht allein in dieses Auto, sitze dort nicht allein
in dieser Nacht, die mein Leben verändert, mich verändert.
Bin doch eh schon nicht mehr ich.
Mein wirkliches Ich sitzt in meinem Kinderzimmer
in dem Haus mit diesen Menschen,
noch voller Liebe und Harmonie.
Und mein Ich, zu dem ich wurde in der kleinen Wohnung,
sitzt in dem kleinen Raum, sieht nach draußen,
sieht die Mauer, sieht den Draht.
Zwar nicht allein, aber gefangen in Einsamkeit,
und das nicht erst seit ich hier bin.
Nein, gefangen bin ich schon seit einer Ewigkeit.